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foto: ansa/epa/bianchi
Ein ungewohnter Vorgang. Da gerät eine Regierung wegen der Exzesse der Polizei international unter Druck, und der mediengewandte Ministerpräsident schweigt in der Vertrauensabstimmung. Während Berlusconi verdrießlich auf der Regierungsbank saß, holte der redegewandte Rechtsausleger seiner Regierung zum Rundumschlag aus. Zum wiederholten Mal sprach er der Polizei seine "bedingungslose Solidarität" aus, prangerte unter den lautstarken Protesten der Linken die "geistigen Brandstifter und Mittäter im Parlament" an, lobte die Arbeit von Innenminister Claudio Scajola und verurteilte den Misstrauensantrag als "schäbige, politische Spekulation". Fini selbst hatte das Angebot der Opposition ausgeschlagen, den Antrag auszusetzen: "Wir wollen demonstrieren, wer in diesem Land die Mehrheit hat." Berlusconi, der gehofft hatte, mit dem Gipfel von Genua international einen erfolgreichen Einstand zu feiern, ist angeschlagen. Er erkennt immer deutlicher, dass er seine Wahlversprechen kaum einhalten kann. Diese Woche musste die Regierung einräumen, dass es weder in diesem noch im nächsten Jahr die versprochene Steuersenkung geben werde. Während der Regierungschef der Opposition vorwirft, ihn nicht arbeiten zu lassen, nutzt sein Stellvertreter den Freiraum, um sich als starker Mann zu präsentieren. Er schüttelt in Genua Polizisten die Hände und spricht der Bevölkerung an den Hängen des Ätna Mut zu. Seine Botschaft ist denkbar einfach: "Der Staat lässt euch nicht allein!" Mit wachsendem Unbehagen verfolgen die Christdemokraten in der Regierung, wie geschickt Fini sich auf Kosten der Koalitionspartner profiliert. Vergeblich protestieren sie gegen die Verschärfung des Einwanderungsgesetzes, die Fini und Lega-Chef Bossi praktisch im Alleingang durchziehen können. Das politische Klima ist frostig geworden. Seit über 20 Jahren waren die Fronten nie so verhärtet wie jetzt. Im Parlament beschimpfen sich beide Lager als "Faschisten" und "Kommunisten". Ein längst vergessen geglaubtes politisches Vokabular kommt wieder zu Ehren: die "strategia della tensione" - die "Strategie der Spannungen", die Italien zur Zeit der "Roten Brigaden" in eine politische Zerreißprobe führte. In der Abgeordnetenkammer kam es am Freitag fast zu Handgreiflichkeiten, als die Mehrheit ein Gesetz durchdrückte, das die Strafen für Bilanzfälschung drastisch reduziert. Berichterstatter war Berlusconis Anwalt Gaetano Pecorella. Das Gesetz befreit den Regierungschef kurzerhand aus drei misslichen Prozessen. Die Ohnmacht der Opposition ist offenkundig. Aber die Zahlen sind klar. Die Mehrheit der Italiener hält Berlusconi für ein Opfer der Justiz. Und 52 Prozent stehen hinter dem Polizeieinsatz von Genua. Die Mehrheit wünscht eine restriktive Ausländerpolitik. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5. August 2001)