Salzburg - Keine Chance hatten jene drei deutschen Urlauber, die am Freitag Mittag bei einem Steinlawinenabgang im Obersulzbachtal in Neukirchen am Großvenediger (Pinzgau) getötet wurden. "Das ist wahrscheinlich schlagartig gegangen. Bevor sich die Leute umdrehen konnten, waren sie schon erschlagen", erklärte Landesgeologe Rainer Braunstingl. Dass sich Derartiges im hochalpinen Bereich an einem Gletscherrand zutragen kann, ist für die Experten nichts Ungewöhnliches, "doch die Schnelligkeit dieses Ereignisses ist auch für uns überraschend", so Braunstingl. Für die acht Männer und zwei Frauen, die kurz nach Mittag unweit der Kürsingerhütte unterhalb der so genannten türkischen Zeltstadt von den Geröllmassen überrascht worden ist, war der heutige Urlaubstag ihr erster: Die großteils aus Nürnberg und Köln stammenden und miteinander befreundeten Deutschen im Alter von 25 bis 40 Jahren waren erst heute angekommen und zu der gemeinsamen Wanderung aufgebrochen. Boden brach weg Genau genommen war es eigentlich keine Steinlawine, welche drei der zehn Urlauber getötet hat, vielmehr brach der Untergrund und stürzte in einen tiefer liegenden Hohlraum, Felsbrocken in der Größe von Autos donnerten nach. Den vermutlichen Ablauf beschreibt Landesgeologe Braunstingl sinngemäß so: Auf dem Eis lagert ein Schuttkegel. Bedingt durch die Temperaturen schmolz das Eis in ein konzentrisches Loch einer Gletscherzunge, das Eis "kalbte" praktisch ringförmig hinein. Unter dem Eis fließt zudem noch ein Bach, der eine Art kleines "Gletschertor" erzeugt hat, welches sich übrigens genau an der Unfallstelle befindet. "Vermutlich im hinteren Bereich ist das Gletschertor zusammengebrochen", so der Geologe, und zwar in etwa ein, zwei Metern Tiefe: "Den Leuten wurde der Boden unter den Füßen weggezogen." Pkw-große Felsblöcke Zwei der drei tödlich verunglückten Bergsteiger - ein Mann und eine Frau - wurden von den nachrollenden Steinen erschlagen, ihre Leichen befanden sich an der Oberfläche und konnten von den Helfern noch am Nachmittag geborgen und ins Tal geflogen werden. Das dritte Opfer wurde allerdings mit dem wegrutschenden Untergrund nach unten gerissen, alles, was die Helfer von dem Toten entdecken konnten, ist eine Hand, die etwa aus zwei Metern Tiefe unter den riesigen, zum Teil Pkw-großen Felsblöcken hervorlugt. Ein vierter Urlauber wurde von den herabprasselnden Steinen unbestimmten Grades verletzt, er liegt im Krankenhaus Mittersill. Schwierige Bergung Äußerst problematisch gestaltet sich die Bergung des dritten Opfers: "Die Stelle ist markiert, der Einsatz wird aber vorerst unterbrochen", so Rosmarie Drexler, Bezirkshauptfrau des Pinzgaus. "Es liegen Steinblöcke drauf, die so groß sind wie ein Auto. Bei den derzeitigen Temperaturen wäre eine Bergung für die Rettungskräfte zu gefährlich." Wie der Tote unter diesen Bedingungen vom Berg geholt werden kann, darüber herrschte Freitag Abend noch Unklarheit. Denkbar ist beispielsweise, dass ein Mann am Hubschrauber hängt, wobei das Seil gespannt sein muss, damit er bei einer eventuellen neuerlichen Steinlawine sofort die Flucht ergriffen werden kann. Fest stand allerdings eines: Vor einem eventuellen Bergeversuch "muss die Temperatur deutlich bis zum Gefrierpunkt sinken", erklärten Drexler und Braunstingl unisono. Insgesamt waren 110 Helfer im Einsatz, darunter Mitglieder der Bergrettung, der Feuerwehr, der Alpingendarmerie, des Roten Kreuzes, der Suchhundestaffel und der Bezirkshauptmannschaft. Unterstützt wurden die Einsatzkräfte von fünf Rettungshubschraubern. (APA)