Wien - Die Wirtschaftsforscher, die noch im Juni für heuer mit einem Rückgang der Arbeitslosenrate von 3,7 auf 3,6 Prozent rechneten, haben offenbar das Ausmaß der Abschwächung der Konjunktur unterschätzt. Denn mitten im Sommer - traditionell ein Höhepunkt des Jahres in der Beschäftigung - sind 164.366 Jobsuchende beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet, um 12.705 Personen oder 8,4 Prozent mehr als im Juli des Vorjahres. Die nach EU-Kriterien errechnete saisonbereinigte Arbeitslosenquote blieb mit 3,8 Prozent gegenüber dem entsprechenden Monat des Vorjahres unverändert. Die nationale Arbeitslosenquote (in Prozent der unselbstständig Beschäftigten) lag mit 4,8 Prozent um 0,3 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert. Alle Berufe betroffen Dabei waren vom Anstieg nahezu alle Berufe betroffen. Die Arbeitslosigkeit stieg aber vor allem in den Bauberufen (+1877 oder 20,6 Prozent). In den Fremdenverkehrsberufen gab es um insgesamt 1301 oder 9,2 Prozent mehr Arbeitslose. Gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist auch die Arbeitslosigkeit in den Produktionsberufen (+9,1 Prozent oder 4029). Dort gab es mehr Jobsuchende in den Hilfs- und Metall/Elektroberufen. Auch im Dienstleistungsbereich nahm die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahr (+6,5 Prozent oder 5379) zu. Der Anstieg wurde durch die steigende Arbeitslosenzahl in den Büro-, Handels-, Reinigungs-, Verkehrs- und technischen Berufen verursacht. Zuwachs reicht nicht mehr aus Arbeitsminister Martin Bartenstein wies in einer Aussendung auf die erfreuliche Entwicklung der Zahl der unselbstständig Beschäftigten hin, die sich im Juli um 19.862 oder 0,62 Prozent erhöhte. Die Wirtschaftsforscher weisen aber darauf hin, dass der Zuwachs nicht mehr ausreicht, um einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Ewald Walterskirchen vom Wifo zum S TANDARD : "Es gibt eine Schwelle der Arbeitslosigkeit. Nach empirischen Studien nimmt sie dann zu, wenn die Wirtschaft geringer wächst als um 1,75 Prozent. Und im Euroraum ist der Euro-Growth-Indikator, der Hinweise auf die Sachgüterproduktion gibt, im dritten Quartal auf 1,4 Prozent nach 2,5 Prozent im ersten und zwei Prozent im zweiten gesunken. Wenn das so weitergeht, werden die von uns prognostizierten 3,6 Prozent für die Arbeitslosenrate nicht halten." Walterskirchen sieht kein kurzfristiges Rezept gegen die steigende Arbeitslosigkeit. Eine Zinssenkung der EZB, die allgemein für Ende August erwartet wird, wäre trotz des Timelags für die Konjunkturerholung hilfreich. Vor allem, weil sie sich positiv auf die Stimmung auswirken würde. Besonders problematisch, so Walterskirchen, sei die gedrückte Baunachfrage: "Der Wohnbau ist praktisch zusammengebrochen, auch im Tiefbau ist die Auftragslage schecht, vor allem wegen der Investitionszurückhaltung auf kommunaler Ebene. (ha, DER STANDARD, Printausgabe 4.8.2001)