Den Haag - Das UNO-Tribunal in Den Haag hat den bosnisch-serbischen General Radislav Krstic (53), einen der Hauptverantwortlichen des Massakers von Srebrenica 1995, am Donnerstag zu 46 Jahren Haft verurteilt. Es ist das erste Urteil des Gerichts wegen Völkermordes. Krstic wird für Vertreibung und Ermordung von mehr als 7000 bosnischen Muslimen nach der Eroberung der UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 verantwortlich gemacht. Der General habe sich im Juli 1995 für das Böse entschieden, als das von ihm befehligte Drina-Korps die muslimische Bevölkerung von Srebrenica vertrieb, verfolgte und alle Männer im wehrfähigen Alter hinrichten ließ, begründete das Gericht seine Entscheidung. Erste Verurteilung wegen Völkermords Die Richter folgten damit der Argumentation der Anklage, kamen aber nicht deren Antrag auf lebenslange Haft nach. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert. Es ist zum ersten Mal, dass das Sondergericht einen Angeklagten wegen Völkermords verurteilte. Krstic wurde wegen seiner Mitverantwortung für die Verbrechen nach der Einnahme der ostbosnischen Muslim-Enklave Srebrenica im Juli 1995 durch die bosnisch-serbische Armee verurteilt. Er war Kommandant des Drina-Korps und rechte Hand des bosnisch-serbischen Armeeführers Ratko Mladic bei der Eroberung. 20.000 Frauen und Kinder wurden deportiert, mehr als 7000 Männer und männliche Teenager - alle, die sich ergaben oder gefangen genommen wurden - wurden exekutiert. Eine derart umfassende Vertreibung und Tötung der muslimischen Bevölkerung ließ dem Gericht den Vorwurf des Völkermords plausibel erscheinen. "Die Entscheidung der bosnisch-serbischen Militärführung, alle bosnischen Männer im wehrfähigen Alter zu töten, wurde im vollen Wissen um ihre Folgen getroffen", sagte Richter Almiro Rodrigues in der Urteilsverkündung. "Diese Entscheidung bedeutete, dass es der Bevölkerung von Srebrenica unmöglich wurde zu überleben. Ethnische Säuberung wurde zu Völkermord." Überlebende sagten aus In 16 Verhandlungsmonaten und unter Anhörung von 128 Zeugen stützte sich die Beweisführung der Anklage auf eine Vielzahl von Mittel. Aufgeboten wurden geschützte Zeugen, die die Erschießungen zufällig überlebten, Aufnahmen von US-Spionageflugzeugen, auf denen frisch ausgehobene Massengräber und Leichenberge zu erkennen waren, gerichtsmedizinische Gutachten, die die Erschießungen von Gefangenen belegten, von der Bosnien-Friedenstruppe Sfor beschlagnahmte Dokumente aus den bosnisch-serbischen Militärarchiven und abgefangene Funkgespräche. Das Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall für kommende Verfahren dar. Das gilt für Krstic' Vorgesetzte, General Mladic und den bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic, die sich derzeit noch im serbischen Teil Bosniens verstecken. Aber auch für den jugoslawischen Ex-präsidenten Slobodan Milosevic, der Ende Juni von der neuen serbischen Führung nach Haag überstellt wurde. Dessen Anklage, beruhend auf Kriegsverbrechen im Kosovo, beinhaltet zwar nicht die Anklage des Völkermords. Doch eine bis zum Herbst vorzubereitende Erweiterung der Anklage um die Missetaten der serbischen Truppen in Kroatien und Bosnien wird voraussichtlich auch den Genozid-Vorwurf einschließen. Erfreute Reaktion aus Washington Die USA haben das Urteil gegen den bosnisch-serbischen General Radislav Krstic begrüßt. US-Außenamtssprecher Richard Boucher sprach in Washington von einer wichtigen Entscheidung des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag und einem "starken Signal". Das Urteil bedeute, "dass Völkermord nicht geduldet wird und die Schuldigen sich zu verantworten haben", sagte Boucher. Die USA hofften, dass die Opfer dieser "schrecklichen Periode" in dem Urteil Trost finden könnten. Boucher kündigte außerdem verstärkte Bemühungen an, auch den ehemaligen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und seinen Militärchef Ratko Mladic vor das Haager Tribunal zu bringen. Die USA würden weiterhin alle "glaubwürdigen" Bemühungen unterstützen, Schuldige zur Rechenschaft zu ziehen. Krstic wurde am Donnerstag wegen Völkermordes in der moslemischen Enklave Srebrenica im Jahr 1995 zu 46 Jahren Haft verurteilt. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 3.8.2001/APA)