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Salzburg - Europa wäre auch ganz anders denkbar. Offener, ohne Genua, aber mit mehr Gischt, aus der die Göttin Europa schließlich entsteigt. Die Salzburger Festspiele vereinen heuer in der Reihe "Dichter zu Gast" drei Autoren, die neben ihrem Heimatland Ungarn vor allem ihr offenes Bewusstsein gemeinsam haben. Sie wirken wie von einer Gischt an europäisches Festland geschleudert, zwischen das riesige Riff des Untersbergs und die Ebene. Imre Kertész (geb. 1929), Péter Nádas (geb. 1942) und Péter Esterházy (geb. 1950), allesamt aus Budapest, liegen den Geburtsdaten nach rund ein Jahrzehnt auseinander. Er- staunlich sind aber die Schreibbeziehungen, die sie in ihren Romanen zueinander und zur Tradition der Moderne haben. Gemeinsam haben sie, dass für jeden von ihnen schon das eigene Ich mit dem eigenen Ich nicht viel gemein hat. So wurde Imre Kertész berühmt mit dem Roman über die Nichtidentität eines nach Auschwitz deportierten Fünfzehnjährigen, der mit Kertész in Teilen übereinstimmt und ihm wie dem Erzähler zugleich wieder sehr fremd bleibt: wie die Lagerwelt, in der zu leben er gezwungen ist ( Roman eines Schicksalslosen , dt. 1996). Dieser Entfremdungsroman und das dazugehörige Galeerentagebuch, das tagebuchartig die Erfahrungen von Kertész bei Lesereisen und bei Ich-Reisen auflistet, stehen im Zentrum eines Landestheater-Abends, 14. 8. (20 Uhr), gelesen von Johanna Wokalek. Die vom 13. bis 19. August laufende Triumviratsreihe beginnt mit Fotos und deren Versprachlichung durch Péter Nádas (13. 8., 20 Uhr, KunstRaum Vierthalerstraße): Wenige haben so wie Nádas in seinem Buch der Erinnerung (dt. 1991) über die Gleichzeitigkeit von Erinnerungsschichten und Erinnerungsorten - das Budapest der Kindheit, das Berlin seiner Gegenwart - nachgedacht. Otto Sander liest daraus (17. 8., Landestheater, 20 Uhr). Identitäten auch bei Péter Esterházy, der sie aus Literaturen montiert: Unter dem schönen, ironischen Titel Harmonia caelestis stellt er am 18. August im Landestheater seinen neuen Roman vor. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 8. 2001)