Wien - Es war eine volkswirtschaftliche Gleichung ganz nach dem Geschmack des Nationalökonomen und grünen Parteichefs Alexander Van der Bellen. Schon vor einigen Jahren hatte der bekennende "süchtige Raucher" bei der Debatte zum Tabakgesetz die Rechnung angestellt, dass "das Wesentliche am Raucher ist, dass seine Lebenserwartung verkürzt wird". Da die Tabaksteuer zur Kompensation der Gesundheitsschäden ausreiche, würde sich der Staat mit jedem Jahr verringerter Lebenserwartung von Rauchern die entsprechende Pensionsversicherung sparen, unter dem Strich also positiv aussteigen. Genau diese Rechnung, vom Beratungsunternehmen Arthur D. Little im Auftrag des Tabakkonzerns Philip Morris für Tschechien detailliert, brachte den Hersteller von Marlboro jetzt ins Kreuzfeuer der Kritik. "Früher leugneten Tabakunternehmen, dass Zigaretten töten, jetzt geben sie damit an", schrieb Ellen Goodman im Boston Globe. Dabei hatte der Konzern nur die nüchterne Rechnung angestellt, dass unter Berücksichtigung aller Faktoren dem Staat ein Gewinn bleibe: auf der einen Seite Tabaksteuern und geringere Sozial- und Pensionsaufwendungen, auf der anderen Seite Krankheitskosten, verlorene Einkommenssteuern und Brandschäden - summa summarum 5,8 Mrd. tschechische Kronen (2,3 Mrd. S) zugunsten des Gemeinwohls. Nachdem der Schuss gründlich nach hinten losgegangen war, blies Philip Morris zum Rückzug und versuchte, seine morbide Rechnung zu vernebeln. "Das war nicht nur ein furchtbarer Fehler, sondern wir waren im Unrecht", streute Morris-Vizepräsident Steven C. Parrish in einem Interview mit dem Wall Street Journal Asche auf sein Haupt. Pläne für vergleichbare Studien in anderen osteuropäischen Staaten, wo es um die Erhöhung der Tabaksteuer geht, wurden von Philip Morris storniert. Die Kernaussage der Studie blieb dabei unwidersprochen. Ein österreichischer Gesundheitsexperte meldete im Gespräch mit dem STANDARD jedoch Bedenken an der Rechnung an. Untersuchungen wie diese würden davon ausgehen, dass Raucher im Schnitt mit 25 Jahren mit dem Rauchen beginnen würden, was nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit richtig war. Das Eintrittsalter sei jedoch - nicht zuletzt ein "Erfolg" der Zigarettenwerbung - dramatisch gesunken und liege jetzt bei 15, so Franz Piribauer, stellvertretender Sanitätsdirektor der Steiermark. Die Folge: Das jüngere Lungengewebe sei für Krebs wesentlich anfälliger. Tabakbezogene Krankheiten treten daher nicht mehr gegen Ende der Berufstätigkeit, sondern früher auf und verursachen deutlich höhere Kosten. Genaue Aufschlüsse über diese Entwicklung würden erst in einigen Jahren vorliegen. Piribauer verweist auf eine 2000 publizierte internationale Studie der Weltbank, wonach bestenfalls tabakproduzierende Staaten einen volkswirtschaftlichen Gewinn hätten. Dennoch sieht Piribauer einen Nutzen in diesen Gesamtrechnungen: Der Staat könne "die Steuerschraube so drehen", dass einerseits Schäden gedeckt werden und andererseits Jugendliche durch hohe Preise abgeschreckt wer- den. "Der Preis ist die einzige Maßnahme, die Jugendliche vom Rauchen abhält", sieht Piribauer den Erfolg solcher Politik in Großbritannien und Frankreich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 7. 2001)