"8. Juli: rosa", ist auf einem der vielen orangen Plastikbändchen, die an den Stängeln baumeln, zu lesen. Idyllisch am Waldrand gelegen blüht da gerade der Genpool für zukünftige Waldviertler Weißmohnzüchtungen. Das Feld in Mühlbach am Manhartsberg steht unter der genauen Beobachtung von Rudolf Marchart, der auch die Angaben zu Zeitpunkt und Farbe der Blüte, Wachstumsphasen und allfälligem Schädlingsbefall an den Pflanzen anbringt. Seit einem Jahr ist der in Wien an der Boku ausgebildete Landwirt auf dem biologischen Versuchsbetrieb des "Vereins zur Förderung der Sonderkulturen im Waldviertel" für das Saatgut zuständig. Der Weißmohn findet sich zur Zeit nicht mehr auf der Sortenliste, als veredelter "Gusentaler" ist er überhaupt schon verschwunden. Das Projekt mit den orangen Bändchen markiert nun den Anfang einer gezielten Selektion, die in ein paar Jahren von der eher oberflächlich erfolgten Auswahl in verschiedenen Gärten aufgestöberter Restbestände wieder zu veredelten Sorten führen soll.Die Nachfrage nach der etwas in Vergessenheit geratenen Spezialität ist nämlich in den vergangenen Jahren wieder so stark angestiegen, dass die eher schwache Ernte des Vorjahres bereits Anfang Juli restlos aufgebraucht war. Nussig und zart schmeckt der Weißmohn - im Gegensatz zum kräftigeren Graumohn - und eignet sich deshalb besonders gut für Mehlspeisen. Um Schwindel vorzubeugen, war seine Verwendung in Nussfüllen früher sogar per Gesetz verboten. Dass der - größtenteils importierte - Blaumohn dagegen geschmacklich abfällt, gilt im Waldviertel als unumstößliche Tatsache. Bis 1934 notierte der "Zwettler Mohn" an der Londoner Warenbörse, doch nach dem Krieg brach der Anbau in Österreich aufgrund der billigen Importe fast vollständig zusammen. Erst Anfang der 80er-Jahre, als nach Möglichkeiten gesucht wurde, der starken Abwanderung Einhalt zu gebieten, erlebte die uralte Kulturpflanze ihr Comeback. Obwohl der Mohnanbau der in Österreich zugelassenen Sorten keinen Einschränkungen unterliegt, kam es in den Anfangszeiten der Kooperative zu manch skurriler Begegnung mit übereifrigen Gendarmen, die in den Feldern einen Fall fürs Drogendezernat vermuteten. Nicht ganz zu Unrecht, handelt es sich doch botanisch um dieselbe Pflanze wie auf den Feldern des Goldenen Dreiecks - papaver somniferum -, nur würden die über Jahrhunderte selektionierten Sorten zu wenig Alkaloide enthalten, um daraus Opium zu gewinnen. Dennoch untersteht etwa in Deutschland jedes Feld der "Bundesopiumstelle". Inzwischen ist der wieder auf etwa 300 Hektar angebaute Waldviertler Graumohn sogar in die Liste der herkunftsgeschützten Nahrungsmittel der EU aufgenommen worden. Der Weißmohn mit nur fünf Hektar Anbaufläche noch nicht, das "Master-Feld" in Mühlbach entwickelt sich allerdings prächtig und rein rechnerisch - Mohn hat einen Vermehrungsfaktor von 1:200 - gehen sich nächstes Jahr aus dem davon gewonnenen Saatgut schon 20 Hektar Weißmohnfelder aus.