Genua - Der am Freitag in Genua getötete Demonstrant Carlo Giuliani ist durch eine Polizeikugel gestorben. Der 23-jährige Italiener war bereits tot, als er danach von einem Polizeiwagen überrollt wurde, erklärten Gerichtsmediziner am Samstag in Genua nach einer Autopsie an Giulianis Leiche. Die Kugel schlug demnach in der linken Wange ein und trat durch den Nacken wieder aus.

Die Staatsanwaltschaft Genua hatte zuvor erklärt, sie wolle außer dem Todesschützen auch den Fahrer des Polizeiautos anklagen. Der genaue Tatvorwurf sollte vom Ergebnis der Autopsie abhängig gemacht werden. Der Militärpolizist, der den tödlichen Schuss abfeuerte, muss mit einer Anklage wegen Totschlags rechnen.

Bilder zeigen Giuliani, wie er kurz vor dem tödlichen Schuss maskiert und mit einem Feuerlöschgerät auf den Geländewagen der Carabinieri zustürmt. In dem Fahrzeug ist der Polizeischütze mit gezückter Waffe zu sehen.

Vom Polizeiwagen überfahren

Neben Giuliani sind auf Fotos auch weitere vermummte Globalisierungsgegner zu sehen, die mit Holzlatten und Steinen den stillstehenden Polizeiwagen angreifen. Augenzeugen und Pressefotografen berichteten im Fernsehen, dass die Polizisten im dunkelblauen Land Rover Defender verletzt gewesen seien und laut um Hilfe geschrien hätten. Weitere Fotos zeigen, wie der Geländewagen anschließend versucht, im Rückwärtsgang von einem Betonblock wegzukommen, der den Weg blockiert. Bei diesem Fluchtmanöver fuhr der Wagen über den in den Kopf geschossenen und am Boden liegenden Giuliani.

Giuliani stammte aus Rom und war Sohn eines Funktionärs der großen italienischen Gewerkschaft CGIL.

Carabiniere einvernommen

Die Staatsanwaltschaft hat eine Ermittlung wegen mutmaßlichen Totschlages gegen den 20-jährigen Carabiniere eingeleitet, der am Freitag den Globalisierungsgegner Carlo Giuliani erschossen hat, meldete der italienische Staatssender RAI am Samstag. Der Carabiniere wird derzeit in einem Krankenhaus wegen Verletzungen behandelt. Die Staatsanwälte wollen ergründen, ob der junge Mann tatsächlich in Notwehr in einer gefährlichen Situation gehandelt hat, wie er behauptet. Auch gegen den Fahrer des Jeeps wird ermittelt.

Die Globalisierungsgner werfen der italienischen Polizei vor, zu hart gegen die Demonstranten vorgegangen zu sein. Mitglieder der italienischen Opposition forderten deshalb den Rücktritt des Innenministers Claudio Scajola. Dieser verteidigte die Polizei mit der Begründung, sie habe ausschliesslich in Notwehr gehandelt.

Junge Frau schwer verletzt

Nur Minuten nach dem tödlichen Schuss ging eine Frau in der Via Caffa zu Boden. Schwere Verletzungen am Kopf, hieß die erste Diagnose. Vermutlich wurde sie von einem Panzerwagen der Carabinieri überrollt. Die junge Frau schwebte Freitag Abend in Lebensgefahr. "Intifada in Genua" kommentierte ein prominenter italienischer Oppositionspolitiker. Der schlimme Ausgang der Zusammenstöße sei "absolut vorhersehrbar gewesen". (APA/ANSA/dpa/AP/Reuters)