Wien - Weil es ihm in dieser modernen Zeit "viel zu viel Schnickschnack" gibt, flüchtet Herbert Achternbusch in die gute alte Mythologie. In die griechische, denn die Griechen seien "die besten Nasenmaler". Nicht dass er sie hinnimmt, wie es geschrieben stand, das wäre dem mit anarchistischem Witz agierenden Filmer, Literaten und Maler in Personalunion doch zu banal. Da muss Bayern her, Achternbuschs "Heimat", genauer gesagt Andechs. Von Andechs nach Athen heißt denn nun auch folgerichtig seine Ausstellung im Künstlerhaus, in das er Riesenformate wuchtet. Archaisch, witzig, durchtrieben treiben es die antiken Götter, denen zuweilen auch ein bayrisches Wappentier unterkommt. Werden dem Prometheus von Andechs die Gedärme von fetten Gänsen aus dem Leib gerissen? Das Haustier von Aphrodite will nach Andechs - ein Löwenhund, der sich von seiner gelangweilten Dominatrix losreißen und saufen gehen will? Geburt der Aphrodite aus dem Starnberger See und Bierfilzen heißt eine seiner schrägen Adaptionen, in der die Liebesgöttin eine Bierschaumgeborene ist. Achternbusch malt mit dünner Aquarell-Lasur und flottem Strich ein absurdes Götterszenario auf rohem Tibetpapier, wo Krieger in die Schlacht ziehen und sterben, wo Gelage stattfinden. Tragik, Melodrama, Sinneslust nebeneinander, zeitlos, existenziell und schön. Welches Ende hätte die Geschichte genommen, wenn Odysseus ein Handy mitgehabt hätte? Am Beispiel Sisyphos demonstriert der ewige Gottsucher Achternbusch weise die Sinnhaftigkeit des Daseins in vier Stufen: Sisyphos pißt auf den Stein mit souveräner Geste, widersetzt sich also dem Schicksal und dem ihm vorgegebenen Weg, er denkt weiter. Der Stein wird folglich in den Brunnen versenkt. Was dann: Sisyphos ist arbeitslos . Zartbittere Conclusio: Sisyphos fängt wieder an . Diese Geschichten, idealerweise zuerst in der Münchner Glyptothek ausgestellt, ergänzen rohe Brettskulpturen, die in Achternbuschs Vierkanthof im Waldviertel entstanden sind. Roh gezimmertes Holz, in Farben und Stil - wie die meisten der 80 in den vergangenen Jahren entstandenen Bilder auch - der griechischen Vasenmalerei nachempfunden, ergeben archaische Menschenskulpturen, denen auch eine Spur Ägypten und Picasso anhaftet. Ein Totem liegt am Boden, Erde klebt noch am Marterpfahl ... An Antike-Adaptionen haben sich weiß Gott wie viele schon versucht. Achternbusch fackelt nicht lange, dazu scheint das kurze Leben zu kostbar. Das beweist auch seine sehr zeitlose Fäkalmetaphorik in früheren Arbeiten oder der Jesuskopf, den böse Fratzen umgeben und der Handke in Fäulnis heißt. Der Dichter-Filmer ist übrigens ausgebildeter Maler, seine abstrakten Werke existieren nicht mehr. Was ihn in seinem Gestus von vielen unterscheidet: Achternbusch ist zwar Bayer, nimmt aber nichts und und auch sich selbst nicht so bierernst. Niemand wird bei ihm peinlich entstellt. Ein gescheiter, verzweifelter, spöttischer Komödiendichter in bester griechischer Tradition. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. 6. 2001)