Jerusalem - Wenn in Jerusalem diese Woche in einer schier endlosen Kette Konferenzzentren und neue Flügel von Museen eröffnet, Skulpturengärten eingeweiht, Festkonzerte gegeben, Bücher präsentiert und Auszeichnungen verliehen werden, dann hat das schon wieder oder immer noch mit Teddy Kollek zu tun: Vieles muss sich eben bewegen, wenn eine historische Figur wie der frühere Jerusalemer Bürgermeister, der zeitlebens ein charismatisches Organisationstalent und ein ungeduldiger Macher war, 90 wird. Die zentrale Geburtstagsparty mit Hunderten Gästen, darunter Israels Außenminister Shimon Peres und drei deutsche Ministerpräsidenten, stieg Mittwochabend im Biblischen Tiergarten von Jerusalem, der natürlich auch in der Ära Kollek entstanden ist. Das österreichische Element: Wiens Altbürgermeister Helmut Zilk überbrachte Kollek die Ehrenbürgerschaft der Stadt, die er 1935 verließ. Unvergessliche Schuld 60.000 Wiener Juden seien in der Nazizeit getötet und 120.000 ins Exil gezwungen worden, sagte Zilk in seiner Ansprache - "diese Schuld und diese Verbrechen dürfen nicht vergessen werden". "Er ist kein verlorener Sohn, er war ein Sohn der enttäuscht wurde, dessen Eltern ausgetrieben wurden, die Familie seiner Frau Tamar ist ausgerottet worden", so Zilk zum Standard - dennoch seien zu Beginn der Neunzigerjahre neue Kontakte geknüpft worden: "Wir haben gesehen, dass er ansprechbar ist für Wien, dass das Herz immer noch da ist." Einige Tage zuvor saß der Jubilar beim Standard-Interview in dem Büro, das er als Präsident des von ihm geschaffenen "Israel-Museums" noch einmal in der Woche benützt, und freute sich über die Glückwünsche eines britischen Lord Rothschild, weil der ein wertvolles Bild fürs Museum mitgeschickt hatte. Über den Gratulationsbrief des französischen Präsidenten Chirac freute Kollek sich auch, aber weniger: "Schade, dass kein Bild aus dem Louvre dabei ist." Dass Kollek als größter Bauherr in Jerusalem seit Herodes dem Großen vor 2000 Jahren gilt, liegt an dem Charme, mit dem er unermüdliche Spenden für Projekte vom Kinderspielplatz über die Cinemathek bis zum Fußballstadium aufgetrieben hat. Dass die arabischen Viertel auch in seiner Amtszeit (1965 bis 1993) in der Entwicklung zurückblieben, gibt er ohne weiteres zu - für diese habe es eben keine privaten Mittel gegeben, sondern nur die kargen Steuereinnahmen, die aber "ehrlich und ordentlich verteilt worden sind". Jahrzehntelang war Kollek für die Unteilbarkeit Jerusalems eingetreten, jetzt glaubt er "dass man auf verschiedene Sachen verzichten" und sie den Palästinensern geben kann. Er habe sich aber nie für politische, sondern nur für praktische Lösungen interessiert: "Vielleicht habe ich es mir zu leicht gemacht und gesagt, es wird von selbst kommen." Koexistenz als Traum Die Koexistenz in Frieden, für die Kollek ein Symbol ist, scheint vorläufig ein Traum zu bleiben: "Das wird wahrscheinlich sechs, sieben Generationen dauern, das heißt 200 Jahre." Um Österreich hat sich der verstoßene Sohn, der in einem ungarischen Dorf geboren wurde und in Wien aufgewachsen ist, in all den Jahren "kaum gekümmert" und: "Meine Lebensaufgabe war, es alles zu tun, um diesen neuen Staat aufzubauen", aber die Ehrenbürgerschaft von Wien ist "eine ganz große Ehre" und "kann vielleicht auch etwas dazu beitragen, die Beziehungen auszubauen." (DER STANDARD, Printausgabe, 1.6.2001)