Brüssel - Missmut und versteckte Drohungen klingen aus dem Papier hervor, das das Europäische Parlament am Mittwoch in Brüssel debattierte. Der "Bericht über den Vertrag von Nizza und die Zukunft der Europäischen Union" enthält den Vorschlag für eine Entschließung des Parlaments, die ziemlich direkt die Defizite des EU-Vertrags von Nizza anprangert. Am heutigen Donnerstag wird im Plenum über diesen Entwurf des Ausschusses für konstitutionelle Fragen abgestimmt. Die Abgeordneten stimmen darin im Ergebnis zwar dem Nizza-Vertrag zu, für dessen Ratifizierung ihre Stimmen ohnehin nicht notwendig sind. Doch bemängeln sie, dass durch die vereinbarten Regelungen, "der Entscheidungsprozess in der Union noch unklarer wird". Nächste EU-Vertragsreform gefordert Deswegen fordern sie für die nächste EU-Vertragsreform, die für 2004 vereinbart ist, dass nicht die Regierungen unter sich alle Änderungen aushandeln. Vielmehr soll ab Anfang nächsten Jahres ein Konvent, in dem auch Vertreter der Europaparlaments und der nationalen Kammern - auch aus den Kandidatenländern - repräsentiert sind, einen Entwurf ausarbeiten. Dieser solle dann in eine europäische Verfassung münden. Die nationalen Parlamente werden ersucht, von ihren Regierungen nachhaltig einen solchen Konvent fordern, wenn sie über die Ratifizierung des Nizza-Vertrags abstimmen. Der Entschließungsentwurf des konstitutionellen Ausschusses enthält zuletzt die versteckte Drohung, dass das Parlament die Ergebnisse der nächsten EU-Reform "bei der Erklärung seiner Zustimmung zu den Beitrittsabkommen berücksichtigen wird". (DER STANDARD Print-Ausgabe, 31. 5. 2001)