Martinsried/Wien - Wenn von "Nanotechnik" die Rede ist, denkt man gerne an intelligente Hightech-Maschinchen, die etwa durch Blutgefäße patrouillieren und gefährliche Ablagerungen wegputzen. Diese Science-Fiction geistert seit 20 Jahren herum, aber den wirklichen Weg in die Welt des Winzigen öffnet etwas ganz anderes: "In der Natur gibt es die Nanomaschinen schon", erklärt Dieter Oesterhelt (Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried) dem STANDARD, "wir müssen sie nur beobachten." In der Natur gibt es etwa winzige Pumpen oder Rotoren oder Bakteriorhodopsin, ein Molekül, mit dem manche Archebakterien Licht in chemische Energie umwandeln. "Wenn dieses Molekül ein Photon erhält, entlässt es ein Proton, und dabei wechselt es seine Farbe, von gelb nach violett", erklärt Oesterhelt: "Diesen Farbwechsel kann man technisch nutzen." Man könnte etwa Dokumente durch Einbau des Moleküls fälschungssicherer machen: Unter bestimmtem Licht müsste die Farbe sich ändern. Oder man könnte das Molekül gentechnisch so verändern, dass es die Farbe zehntausendmal pro Sekunde wechselt. Dann könnte man es als in Raum und Zeit hochauflösenden Kamerafilm zur Materialprüfung - etwa von rasch vibrierenden Membranen - verwenden. Grenzen der Physik Das fälschungssichere Dokument existiert noch nicht, die "Bakterienkamera" immerhin als Prototyp - der Weg zu den Winzlingen ist weit. Beschritten wurde er zunächst von Ingenieuren, die vor allem in der Elektronik Bauteile immer weiter verkleinern, bis sie an die Grenzen der Physik stoßen: "Man spricht heute schon vom Ein-Elektronen-Transistor", erklärt Oesterhelt, "aber selbst wenn man ihn hat, kann er immer nur mit Ja/Nein-Entscheidungen arbeiten. Die Natur kann auf gleich kleinem Raum die ganze Erbinformation kopieren. Sie hat fantastisch komplexe Maschinen." Eben deshalb geht es auch in der Biologie nicht von heute auf morgen: Dass es Bakteriorhodopsin in Bakterien überhaupt gibt - man kannte es früher nur aus der Retina der Augen -, hat Oesterhelt vor 30 Jahren entdeckt. Dann hat er bemerkt, was der Stoff in den Bakterien kann: Photosynthese betreiben, aber auf einem ganz anderen Weg als die Pflanzen mit ihrem Chlorophyll. Dann hat er Stück für Stück weitere Funktionen aufgedeckt, bis endlich der Farbschalter genmanipulierbar war. "Und letztes Jahr ist es uns erstmals gelungen, ein Molekül: wieder das Bakteriorhodopsin, mit einem Werkzeug zu greifen und es wie einen Faden aus seiner Membran herauszuziehen. Das war aufregend, aber was haben wir davon? Nichts", schlägt der Forscher den Bogen von den Grundlagen in die Zukunft: "Wenn wir erst wüssten, wie man das Festgegriffene wieder loslässt, dann hätten wir ein entscheidendes Werkzeug der Nanotechnik, einen Greifer, mit dem man Moleküle bewegen kann." (DER STANDARD, Print-Ausgabe 30. 5. 2001)