Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, die bereits 45 Prozent des Kölner Verlages Kiepenheuer & Witsch hält, wird Anfang nächsten Jahres die Verlagsmehrheit übernehmen. Das hat am Dienstag Kiepenheuer-Verlagschef und Geschäftsführer Reinhold Neven Du Mont angekündigt. Er selbst werde nur noch zehn oder fünfzehn Prozent behalten, sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen und die Geschäftsführung an Helge Malchow für die verlegerische Arbeit und an Peter Roik für das Kaufmännische abgeben, sagte der 64-Jährige. Er werde einen Teil des Jahres dann in seinem Haus in der Provence verbringen und sich im Verlag "im Wesentlichen nur noch um die Autoren kümmern". "Kriegsbriefe" Noch in diesem Jahr wird Kiepenheuer & Witsch die bisher unveröffentlichten "Kriegsbriefe" von Heinrich Böll in zwei Bänden herausbringen. "Das ist eine kleine Sensation - selbst wenn die Briefe nicht von einem Nobelpreisträger geschrieben wären. Denn Böll hat ja seiner damaligen Verlobten fast jeden Tag aus dem Krieg geschrieben". Die "Kriegsbriefe" werden laut Neven Du Mont Teil einer rund 29 Bände umfassenden kommentierten Böll-Gesamtausgabe, die vom Herbst 2002 an mit jeweils drei Bänden im Jahr erscheinen soll. Die Gesamtausgabe werde in einer kleinen Auflage erscheinen. "Das erste Halbjahr ist sehr gut gelaufen" Neven Du Mont rechnet damit, dass Kiepenheuer & Witsch im Jahr 2001, in dem der Verlag sein 50-jähriges Bestehen feiere, erstmals einen Umsatz von 30 Millionen Mark (15,3 Mill. Euro/211 Mill. S) oder mehr erreichen werde. "Das erste Halbjahr ist sehr gut gelaufen und liegt 15 Prozent über Vorjahr, und wir haben ein starkes Herbstprogramm vor uns". Der Verleger ist stolz darauf, dass Kiepenheuer & Witsch "seit 1970 schwarze Zahlen geschrieben" habe. Die Umsatzrendite habe im Schnitt bei sieben Prozent und damit über dem Branchendurchschnitt gelegen. Auch die Lizenzerträge lagen nach seinen Angaben mit zehn bis zwölf Prozent vom Umsatz deutlich über dem Branchenergebnis. Höhepunkt des Jubiläumsjahres bei Kiepenheuer & Witsch wird nach den Worten des Verlegers ein Treffen der deutschsprachigen Autoren des Verlages (21. bis 23. Juni) in Köln werden, zu dem er etwa 60 Autoren erwarte. Das Jubiläum werde mit einem Fest auf der Frankfurter Buchmesse ausklingen. Reinhold Neven Du Mont hatte den Verlag im April 1969 übernommen. Ihm gelang mit einem Reportagenband von Günter Wallraff und "Hundert Jahre Einsamkeit" des in Deutschland damals noch unbekannten kolumbianischen Autors Gabriel Garcia Marquez, der 1982 den Nobelpreis erhielt, ein fulminanter Einstand. Wallraffs "Ganz unten" wurde mit über 3,5 Millionen Exemplaren das erfolgreichste Buch des Verlages, der rund 30 Mitarbeiter beschäftigt und zu dessen Autoren nicht weniger als fünf Nobelpreisträger für Literatur gehören. (APA/dpa)