Kürzlich auf der Jahrestagung der American Association of Genitourinary Surgeons in San Francisco: Georg Bartsch, Leiter der Innsbrucker Uniklinik für Urologie, sitzt in der letzten Reihe und plaudert mit einem Kollegen. Plötzlich sieht er sich selbst als Zweijährigen mit seiner Mutter auf der Leinwand. Den Usancen gemäß hat Ehefrau Heidi der ehrenwerten Gesellschaft zuvor heimlich Fotos aus seinem nicht akademischen Leben geliefert. Denn Bartsch sollte die "Harry-Metcalf-Spence-Medaille für außergewöhnliche Leistungen in Wissenschaft und Chirurgie" erhalten: eine seit 1887 erst 52-mal verliehene Topauszeichnung. Er ist damit der erste Österreicher und erst der zweite Europäer. Über das Lob in der Laudatio als Leiter der besten Urologieklinik in Europa will der 58-Jährige gar nicht sprechen. "Das ist eigentlich für viele Mitarbeiter." Und für das Konzept seiner Klinik, Anti-Warte-Programm inklusive. Mehr als 15 Minuten muss keiner am Gang sitzen. Patienten dürfen, nein: sollen via Touch-Screen ein Feedback geben. "Uromax", ein Smiley mit Tirolerhut, führt sie durch das Informationssystem über Ärzte und Fachbegriffe. Weitere Maßnahme zur "zwischenmenschlichen Qualitätskontrolle": Kranke durften ihre Kritik an den Abläufen auch in offenen Runden üben. Berater von Iro & Partners machten daraus Qualitätsstandards, zum Beispiel für die Information des Patienten bei seiner Entlassung. Der Kranke als Kunde, ein nicht eben häufiges Phänomen im Gesundheitswesen. Diese Innovation rührt wohl von Forschungsaufenthalten in den USA her, besonders prägend: der erste an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore. "Da hab' ich von einem Tag auf den anderen alles in meinem akademischen Leben geändert", sagt Bartsch fast feierlich. Anders als in Österreich und Deutschland habe es nichts zu tun mit "Titeln und Entscheidungsmacht", sondern mit Krankenversorgung, Forschung und Fortbildung "und mit sonst gar nix. Da hab' ich gesehen, dass eine Klinik eine wissenschaftliche Abteilung braucht." Der Urologie in Innsbruck, die er seit 1988 leitet, verpasste er denn auch das naturwissenschaftliche Pendant samt immunologischem und molekularbiologischem Labor. "Beide Seiten profitieren wir unheimlich davon." Motto der Kooperation: "Grundlagenforschung für den einzelnen Kranken im Bett". Bei Bartschs Spezialgebiet, der Vorsteherdrüse, heißt das: "die Krebssterblichkeitsrate senken". Während das Prostatakarzinom am Anfang mit Hormonen relativ gut zu behandeln ist, zeigt diese Therapie später wenig Wirkung. "Wir sind draufgekommen", freut sich der Urologe, "welche Molekularbiologie dahintersteckt." Für Bartsch, der gerne mit seinen zwei erwachsenen Kindern bergsteigt, nur ein Etappenerfolg, kein Gipfelsieg. (DER STANDARD, Print-Ausgabe 29. 5. 2001)