Mit einem Adieu zu Croissants trat der neue BBC-Generaldirektor Greg Dyke sein Amt an. Keine Kipferln mehr sollte es bei morgendlichen Sitzungen geben, die Zahl der Wagen mit Chauffeur müsse ebenso reduziert werden wie die der Taxifahrten, bekannte sich Dyke zu verantwortungsbewusster Verwendung der Rundfunkgebühren. Ein Jahr danach kann der BBC-Chef nun dank rigoroser Verwendung des Rotstiftes, mit dem auch 250 Posten gestrichen wurden, Einsparungen von knapp 30 Millionen Pfund (683 Mio. S) verzeichnen. Weitere 750 Stellen werden in den kommenden zwölf Monaten wegrationalisiert. Dafür sollen statt derzeit 76 Prozent bis zum Jahr 2005 85 Prozent aller Gebühreneinnahmen fürs Programm aufgewendet werden. 1000 Stellen weniger "Informieren, bilden, unterhalten" lautet der in einer königlichen Charta festgelegte Auftrag für Britanniens öffentlich-rechtliche Anstalt. Das tat die BBC bislang mit einem klassischen Mischprogramm. Doch nicht zuletzt wegen des wachsenden Konkurrenzdrucks durch die Privatsender will Dyke radikal umgestalten. Die Strategie ist ORF-Sehern nicht ganz neu. Während BBC 1 künftig zum Unterhaltungs- und BBC 2 zum Informationssender werden soll, möchte Dyke mit zwei neuen digitalen Fernsehkanälen zum einen die Altersgruppe der 15- bis 35-Jährigen und zum anderen sehr intellektuell orientiertes Publikum ansprechen. Die Lizenzen für die beiden neuen Kanäle stehen noch aus. Eine derart tief greifende Umgestaltung, die manche gar als Widerspruch zum öffentlich-rechtlichen Auftrag sehen, ist äußerst umstritten und bedarf der Zustimmung sowohl des Kulturministers als auch der zwölf Mitglieder des "Board of Governors", dem Vorstand der BBC. Angesichts der Parlaments- wahlen Anfang Juni und der bevorstehenden Bestellung eines neuen Chefs - wie bei allen Board-Mitgliedern nominell durch die Königin, de facto durch Downing Street - ist mit einer Entscheidung nicht vor Herbst zu rechnen. Unsicher ist zudem, wie das Board, das bisher als Selbstregulierungsinstanz für die BBC galt, arbeiten wird, sollte auch die BBC der geplanten medienübergreifenden Regulierungsbehörde Ofcom unterstellt werden. Auch im Web werbefrei Nur einmal hat Dyke laut darüber nachgedacht, Werbung auf der BBC-Webseite zuzulassen. Das absolute Werbeverbot im BBC-Radio und TV ist ihm ohnedies heilig. Die heftigen Proteste von Politikern wie der privaten Konkurrenz aber machten klar: Die BBC müsse sich, wie in der regelmäßig erneuerten und nun bis 2006 laufenden Charta festgelegt, auch künftig ausschließlich aus Gebühren finanzieren. Zu denen kommen ohnedies Einnahmen aus dem Vertrieb von Eigenproduktionen, wie erfolgreich geschehen bei den "Teletubbies". Weiters darf die BBC außerhalb Großbritanniens mit ihrem BBC Worldwide kommerziell tätig sein und gewinnträchtige Allianzen eingehen. Bleibt die zuletzt heftig debattierte Frage der Qualität und der Quoten. In der Hauptsendezeit zwischen 18:30 und 22:30 Uhr lag der Privatsender ITV im Vorjahr mit 35,3 Prozent klar vor der BBC mit 28,7 Prozent. Bei den beliebtesten Shows und Unterhaltungsprogrammen lagen die beiden etwa gleichauf. BBC-Traditionalisten fürchten nun, dass "ihr" Rundfunk allen Bekenntnissen zum Trotz Popularität über Qualität stellen könnte. Die Verlegung der Hauptabendnachrichten, die bereits ein Drittel ihrer Zuseher verloren hatten, von 21 auf 22 Uhr und deren sinkendes Niveau sind für sie sichere Anzeichen dafür. (DER STANDARD, 29.5.2001)