Ehekrieg Das Repertoire der Menschenfresser liefert Episoden abgründigster Koexistenzen vorzugsweise als schwarze Komödien. Kann man Strindbergs "Totentanz" denn anders lesen? Sein brutal in die Nordseebrandung eingepflanzter Eheturm wankt auch im Süden prächtig. Der mazedonische Autor Marinko Slakeski entwarf - für den Dramenwettbewerb des um südosteuropäische Literatur stets bemühten Theater m.b.H. - nach dem Musterschnitt Strindbergscher Ehehöllen einen Schaukampf zweier widerwärtig Angetrauter: "Meine letzten Empfindungen liegen sechzehn, siebzehn Jahre zurück, das war der Schmerz, als ich entbunden habe . . . wenn du dich daran überhaupt erinnerst. Dieser Schmerz geht heute aufs Gymnasium." Der 36-jährige Autor, auch Gymnasialprofessor in seiner Geburtsstadt Prilep, erfand für das, was die Menschen voneinander trennt, schlichtweg den Wurm. Überraschung: Sein Stück heißt "Leben mit dem Wurm" und erhielt einen so genannten Zusatzpreis der Jury. Regisseur Dusan Jovanovic gab diesem Wurm (aus Ratlosigkeit der "Figur" gegenüber?) eine semierotische Note, sodass ein zur Geisterbahngestalt verkleisterter John F. Kutil in dieser Uraufführung aufregende Beckenbewegungen zu machen hat. Kutil ist mit der Rolle ganz eins: Ein besserer Wurm war seit Erich Schleyers Schaf an der Burg nicht gesehen. Am harten Pflaster der Ehe schlagen sie sich sodann die Köpfe kaputt. Vorsorglich hat Werner Schönolt eine Straße aus Steinfließen mitten durch den Theaterraum verlegt. Ein Highway der Hässlichkeiten, abgeschieden von der Außenwelt. Sie (Elisabeth Breckner) träumt von einem sinnlicheren Leben; er (Ronald Kuste) - an Telefonitis (Therapie via Telefon) krankend - sitzt nur vor der Glotze. Schließlich haben sie allesamt das Menschsein verlernt. Die Erinnerung an die eigene Spezies dräut ihnen nur mehr im Spiel: Mensch ärgere dich nicht. (Margarete Affenzeller) Theater m.b.H. 20 Uhr 7., Zieglergasse 25 01/523 18 33- 0Bis 7. 7. Sängerkrieg Manche Schauspiele sind nur selten auf der Bühne zu sehen, und bisweilen hat das seinen Grund. Ferdinand Raimunds "Gefesselte Phantasie" ist eines davon: Konzipiert als Wechselspiel aus ernsthaften und komödiantischen Szenen, ergeht sich der Text in ersteren im Pathos, letzteren fehlt es dagegen an satirischer Brillanz. Ab und zu aber wird das Werk doch aus der Versenkung geholt, und manchmal geht der Versuch sogar gut. So zum Beispiel an der Salzburger Elisabethbühne, wo Robert Pienz den Sängerkrieg um Hermione, die Königin der Dichterinsel Flora, in absurden Slapstick verwandelt, der nicht selten das Raimundsche Opus selbst parodiert. Zu sehen ist ein Dichter-Hofstaat aus Schwachköpfen, angeführt vom selbstgefälligen Distichon (Klaus Huhle); die einzige Gegenfigur dazu stellt der Narr (Christoph Kail) dar. Königin Hermione (Elke Hartmann) und ihr Erwählter (Volker Wahl) präsentieren sich, je nachdem, in Tracht oder barbiepuppenbunt. Eigentlich sind sie füreinander bestimmt, was aber den beiden bösen Zauberschwestern nicht passt. Marcus Marotte und Olaf Salzer sind Intrigantinnen par excellence und können das furiose Niveau ihres ersten Auftritts halten. Sie haben die Insel in ihre Gewalt gebracht, nehmen die - absolut entnervte - Phantasie (Katrin Schurich) gefangen und wollen sie zwingen, ausschließlich dem Heurigendichter Nachtigall (Georg Reiter im geschickt danebengegriffenen Glitzeroutfit) das notwendige Talent zu verleihen, um den Wettstreit zu gewinnen. Der Stammtischpoet singt also - unerklärlicherweise fehlen seinen Couplets aber jegliche Strophen mit aktuellem Bezug. Schade, denn zu den originellsten Textstücken zählen an diesem Abend jene des Teams selbst. (Anja Stiller-Reimpell) Elisabethbühne 19.30 Uhr 5020 Salzburg Erzabt-Klotz-Straße 22 0662/80 85-0 (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 5. 2001)