Graz/Wien - Bereits das Albumcover verstört. Zeigt es doch den verhüllten Kopf einer Frau aus einem Land, in dem zweifelsfrei die Barbaren des Taliban ihr fanatisches Unwesen treiben. Die Darstellung dieses dichten Sichtnetzes, hinter dem ein menschliches Wesen gefangen gehalten wird, suggeriert Angst, Zorn und unterdrückte Wut. Darüber steht in fetten Lettern der Bandname: Sand. Dieses fünfköpfige Ausnahmeensemble versucht, in seiner Musik diese unfassbaren Gegensätze zu beschreiben. Nämlich dass ein wie oben beschriebenes finsteres Mittelalter zur selben Zeit auf diesem Planeten grausame Urständ' feiert wie zur selben Zeit an anderen Orten die so genannte freie Welt mit all ihren - auch nicht selten fragwürdigen - zivilisatorischen Errungenschaften.
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In der Wahl ihrer Mittel bedienten sich die Briten, die sich Ende der 90er-Jahre um Tim Wright formierten, entsprechend krass. Düstere urbane Elektronik, die in ihrer Unberechenbarkeit an die Urgewalt der New Yorker Noise-Brigade Swans denken lässt, wird mit abstrahierten Bigband-Klängen auf Kollisionskurs gebracht. Am Aufprall weidet man sich genüsslich. Dazu krachen schwere Gitarrenriffs aus der Schule des Schwermetalls und selbst Anleihen aus dem Jazz - die Art des Bassspiels etwa - werden eingebracht. Oder besser gesagt, geschnupft. Was jetzt eigentlich fürchterlich überladen und nach Crossover klingt, handhaben Sand allerdings mit selten gehörter Souveränität. Aus dem Spiel mit vor sich hinmalender Zähigkeit und Ausbrüchen aus dieser erzielt Sand nämlich eine fesselnde Dynamik. "Entdeckt" hat die fünf der Wiener Techno-Chef Patrick Pulsinger, der das Kollektiv im Vorjahr erstmals auf heimische Bühnen holte. Das Konzert in der Volksoper geriet dann jedoch aufgrund akustischer Inkompatibilitäten mit dem Veranstaltungsort zu verhalten. Etwas, das sich bei dem ersten "regulären" Wien-Ggastspiel ändern sollte: Krawumms! Sand treten am Freitag gemeinsam mit Patrick Pulsinger in Graz auf, am Samstag gastiert dieselbe grobkörnige Doppelpackung in Wien. Dringend empfohlen! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 5. 2001)