Eine Frage steht schon so lange im Raum, wie es Statistiken zum Frauenanteil in technischen Berufszweigen gibt: Woran liegt es eigentlich, dass Frauen in technischen Berufs- und Ausbildungsfeldern so marginal vertreten sind? Ein Ansatz, diesem Mißstand entgegenzutreten, ist die Untersuchung der Situation von Technikschülerinnen selbst. Die 1997 vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst veröffentlichte Studie "Mädchen an HTLs. Eine Studie im Bereich Elektrotechnik/Elektronik und Maschinenbau" präsentiert die Aussagen von insgesamt 76 HTL-Schülerinnen (immerhin 10 % der Schülerinnen des Bereiches Elektrotechnik/Elektronik im Erhebungsjahr 1994) hinsichtlich der Kriterien ihrer Ausbildungswahl und der persönlichen Einschätzung ihrer "Minderheitensituation". Hier die wichtigsten Resulte zusammengefasst: Auswahl des Schultyps Als Kriterium für eine technische Ausbildung steht bei Mädchen als erstes ein sicherer Job (85,5%), danach der hohe Verdienst und an dritter Stelle das Interesse an Technik. Das technische Umfeld, in dem die Mädchen aufwachsen, ist mehrheitlich von der technischen Ausbildung und dem technischen Interesse des Vaters und/oder der Geschwister geprägt. Etwa ein Viertel der Befragten sollen einmal den väterlichen Betrieb übernehmen (vor allem im ländlichen Bereich). Mehr als die Hälfte der Mädchen bescheinigen ein frühes Interesse für Technik, das sich in "Gegenstände zerlegen" oder "versuchen, sie zu reparieren" ausdrückte. Die Väter stehen der Schulwahl der Mädchen mehrheitlich selbstverständlich positiv gegenüber (61,1 %), während lediglich 38,2 % der Mütter diesen Ausbildungsweg als gut einschätzen. Die Mütter fragen sich hauptsächlich, ob ihre Tochter den Leistungsanforderungen in der technischen Schule gerecht werden kann, aber auch, ob nicht aufgrund des niedrigen Mädchenanteils eine belastende Situation für die Tochter eintreten könnte. Die Situation der Schülerinnen an den HTLs Beinahe zwei Drittel der Mädchen sind mit ihrer Schulwahl zufrieden. Interviews zeigen, dass die Schulzufriedenheit jener Mädchen, die zu fünft oder sechst in einer Klasse sind, sehr hoch ist. Burschen fühlen sich in solchen Klassen ebenfalls wohler. Etwa die Hälfte der Schülerinnen hat Angst vor Prüfungen, Schularbeiten, 40 % haben Angst vor dem Unterricht bestimmter Lehrer, um die 10% vor der Situation in der Klasse. Die männliche Vergleichsgruppe äußerte in all diesen Punkten weniger Unbehagen. Obwohl sich die Schulleistungen von Mädchen und Jungen nur unwesentlich voneinander unterscheiden, kommt es aufgrund des allgemein niedrigeren Selbstbewusstseins der Mädchen und der Stresssituation, der sie als Minderheit ausgesetzt sind, zu diesen Einschätzungen. Die Mädchen geben ausserdem die Probleme, die sie aufgrund ihrer Aussenseiterinnenposition in der Klasse haben, nicht gerne zu, weil sie glauben, dass es ihre Position zusätzlich schwächt. Trotzdem übernehmen sie überdurchschnittlich oft soziale Funktionen in der Klasse und werden von den Mitschülern dafür geschätzt. Aggressionen von Mitschülern reichen von abschätzigen Äusserungen über die Leistungen der Mädchen bis zu verbalen und zuweil auch körperlichen sexuellen Übergriffen. 43,4 % der Befragten gaben an, sie werden "manchmal" in einer Form angesprochen "die unter die Gürtellinie geht", 21,2 % gaben an, sie wurden zumindest einmal von einem Burschen gegen ihren Willen angegriffen. Solchen Vorfällen sind vor allem jüngere Schülerinnen, und solche, die allein oder zu zweit in der Klasse sind, ausgesetzt. Quelle: "Mädchen an höheren technischen Lehranstalten. Eine Studie im Bereich Elektrotechnik/Elektronik und Maschinenbau" herausgegeben vom Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, 1997 (red)