Es hat schon viel mit Technik zu tun, und mit computergesteuerter Kühlung und so. Aber auch mit Umrühren. Bruno Ernesto Aristeguita rührt ganz schön kräftig in dem brodelnden, trüben Gebräu, aus dem irgendwie eine seltsame Aromenmischung emporsteigt. Himbeerbier soll es demnächst sein, wird verraten, das Cassisbier ist schon fertig, sieht aus wie konzentriertes Abwaschwasser, trinkt sich wie Bier, schmeckt nach Gummibärli. Bruno Ernesto Aristeguita ist zwanzig Jahre alt, hat vor kurzem in Venezuela auf der deutschen Schule seine Matura gemacht und darüber hinaus schon seit langem den Wunsch verspürt, Braumeister zu werden. Und zwar weniger deshalb, um sich täglich die Birne wegsaufen zu können, als vielmehr aus romantisch-philosophischen Gründen. Wie gesagt, er ist zwanzig Jahre alt. Ein Stipendium bei "Polar", der größten Brauerei Venezuelas, hätte er leicht bekommen können, erzählt er (nicht zuletzt deshalb, weil er perfekt Deutsch kann, und Deutsch ist die internationale Branchensprache unter Bierbrauern). Aber das interessierte ihn nicht, "ich wollte lieber zu einer kleinen Brauerei, wo ich Kontakt zur Kundschaft und zum Produkt habe". Österreich kannte er von Urlaubsauf- enthalten, Sepp Sigl von der Sigl-Brauerei in Obertrum kannte er ebenfalls ein bisschen, man telefonierte, Sigl meinte, dass man's doch einfach einmal probieren wolle, und dann ging's auch schon recht flott. Die Berufsbezeichnung des "Kreativbrauers"... ...existierte in Österreich bis dahin eigentlich nicht, denn die Sache mit der Kreativität wird beim Bier hierzulande ja traditionell eher den Werbeagenturen überlassen. Aber dann war Bruno nun mal da, außerdem unterhält man in Obertrum seit ungefähr einem Jahr so etwas wie ein experimentelles Brau-Labor mit ungefähr hundert Liter Brau-Volumen, weshalb man eins und eins zusammenzählte und sich freute, als drei dabei herauskam. "Meine erste Aufgabe bestand einmal darin, die Anlage kennen zu lernen, mich mit der Funktionsweise vertraut zu machen. Aber hier befasst man sich mit Qualität, das Bier wird nicht pasteurisiert, also hab' ich da überhaupt keine Schwierigkeiten gehabt, mich einzuarbeiten und zu identifizieren." Nach einiger Zeit fing er dann damit an, Ideen zu entwickeln, "und mir zu überlegen, wie man Bier daraus machen kann". Grundsätzlich ist es sein Job, aus dem kreativen Chaos seiner Experimentalbrauerei jene Kandidaten herauszufinden, die für eine Großproduktion infrage kommen und zu untersuchen, wie das zu bewerkstelligen sei, und was man dafür alles bräuchte. Ein Hollunderbier hat er zum Beispiel schon gebraut, ein Cassisbier, Bier aus Kirschen, Honigbier mit Zitrone, Hefebier, rotes Hefebier, Stout, Märzen und ein Molkebier, dessen Rezept er in einem alten Buch gefunden hat: "Es sollte ein vollmundiges Bier werden, das aber nicht zu stark ist, ich bin wirklich sehr gespannt, wie das wird. Es gibt so viele Sachen, die früher gemacht wurden, und die durch die Industrialisierung des Bierbrauens alle in Vergessenheit geraten sind." Das Herumbasteln mit den Fruchtbieren, die Harmonisierung der doch sehr unterschiedlich gearteten Aromen bitter und fruchtig, vermeiden, dass der Fruchtzucker vergärt und vor allem die Crux der Fruchtsäuren, die nicht von den Enzymen der Hefe aufgespalten werden sollen - es könnten einem auch weniger anspruchsvolle Betätigungen für 20-Jährige einfallen, wenn man nachdenkt. Wobei es nicht zwangsläufig die Exoten sind, die den jungen Venezolaner braumäßig... ...herausfordern, "hin und wieder ist es dann auch toll, ein gutes Pils zu machen, schön hell und schön klar". Das gibt es in Obertrum allerdings schon (Sieger des S TANDARD -Pilstests), weshalb das erste Bier mit Brunos Vorarbeit aller Voraussicht nach etwas anders geartet sein dürfte. Noch vor September soll es am Markt sein, "was ganz Neues, was mit Farbe". Wenn er daran denkt, welche Tendenzen am globalen Biermarkt so herrschen, wird dem jungen Bruno Ernesto Aristeguita auf jeden Fall schon einmal schlecht: "Anhäuser Bush ist die größte Brauerei der Welt, 180 Millionen Hektoliter brauen die pro Jahr. Und für ihr ,Bud' verwenden sie Reis statt Malz, statt Hopfen nehmen sie die billigen Hopfenblüten. Da riecht das, was ich im Glas hab', dann zwar nach Bier, schmeckt aber nicht danach. Und die Gefahr, dass das um sich greift, besteht auch für Österreich." Dass man zur Herstellung von Bier nicht eine vergleichbar hohe Produktionskultur benötige wie für Wein, sei ihm schon klar, sagt er, aber eine vergleichbare Trinkkultur sollte eben schon möglich sein, philosophiert der junge Mann. "Dieses Vollsaufen bringt doch nichts, auch ein Bier muss man genießen, muss Freude haben dabei." Und als ihm - unter den Arbeitern in der Trumer Brauerei wird er "der Unaussprechliche" genannt - fünf Leute bestätigten, dass ihnen das, was er da macht, sehr gut schmeckt, war die Welt des Bruno Ernesto Aristeguita jedenfalls in Ordnung. Im Herbst, nach insgesamt knapp einem Jahr in Obertrum, wird der Kreativbrauer übrigens nach Weihenstephan in Bayern wechseln, Nirwana der Bierbrauer, um dort seine Ausbildung zum Braumeister zu machen. "Trumer ist mein Nest, aber wartet, bis ich fliege."