International
Gespräch Schröder-Bush: Für Putin "Provokation"
Russlands Präsident will Medienberichten nicht glauben
Moskau/Berlin - Die Veröffentlichung des Protokolls, das das Gespräch des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder mit US-Präsident George Bush in Washington Ende März wiedergibt, hat auch in Moskau Aufsehen erregt. Russlands Präsident Wladimir Putin versuchte am Dienstag zwar, die Sache herunterzuspielen. Seine Beteuerung, die Berichte deutscher Medien seien nur eine "Provokation" und er glaube ihnen nicht, widerlegte er selbst, indem er seinen Kurs verteidigte: "Wir haben bestimmte Vereinbarungen mit dem Pariser Club. Das Ziel ist, die russische Wirtschaft in die Lage zu versetzen, dass wir unsere Schulden zurückzahlen."
Er reagierte damit auf die Russland betreffenden Passagen: Demnach sollen sich Schröder und Bush geeinigt haben, Russland vorerst keine weiteren Finanzhilfen zu gewähren, "solange ungeheure Summen ins Ausland geschafft werden".
US-Wogen glätten
Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wolfgang Ischinger, versuchte unterdessen im Gespräch mit US-Vizeaußenminister Richard
Armitage in Washington
Schadensbegrenzung. Mit anderen Staaten sei noch kein
Kontakt aufgenommen worden, so eine Ministeriumssprecherin. Die zitierten Äußerungen betrafen Jordaniens
König Abdullah ("machtlos"),
Syriens Kabinett ("schrecklich") und Palästinenserchef
Yassir Arafat ("Realitätsbezug
verloren").
Was er Bush genau über
sein Treffen mit Libyens
Staatschef Muammar Gaddafi
gesagt hat, darüber wird
Schröders außenpolitischer
Berater Michael Steiner mehrfach Auskunft gegeben müssen. Ein Sprecher bestätigte
auf Anfrage, dass die Berliner
Staatsanwaltschaft die Einleitung von Ermittlungen prüft.
Steiner könnte wegen "Vertrauensbruch im auswärtigen
Dienst" belangt werden. Mit
bis zu fünf Jahren Haft wird
bestraft, "wer bei der Vertretung der Bundesrepublik
Deutschland gegenüber einer
fremden Regierung unwahre
Berichte erstattet".
"Höchst ärgerlich"
Im Protokoll des deutschen
Botschafters Jürgen Chrobog
stand: "Steiner berichtete über
seine Gespräche mit Gaddafi
in Libyen. Dieser habe eingestanden, dass sich Libyen an
terroristischen Aktionen (La
Belle, Lockerbie) beteiligt habe." Die Bundesregierung dementierte später dieses Eingeständnis. Steiner wird auch
als Zeuge im Prozess um den
Anschlag auf die Berliner Diskothek La Belle und gemeinsam mit Chrobog kommenden
Dienstag im Auswärtigen
Ausschuss des Bundestages
aussagen müssen. Schröder
wollte die Angelegenheit bisher nicht kommentieren. Außenminister Joschka Fischer
meinte nur: "Der ganze Vorgang ist höchst ärgerlich." (DerStandard,Print-Ausgabe,23.5.2001)