Wien - "Österreich hat bisher weder ein Gesetz noch eine Institution zur Bekämpfung rassischer Diskriminierung wie dies die EU fordert", sagte am Freitag Bernhard Perchinig vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung (EZWS) in Wien. Die Umsetzung der im Juli 2000 beschlossenen Antidiskriminierungs-Richtlinie der EU durch die Mitgliedsstaaten war am Donnerstag und Freitag Gegenstand einer vom EZWS veranstalteten Konferenz in Wien. Die Richtlinie soll die Rechtssicherheit von Diskriminierungsopfern erhöhen. Erst in fünf EU-Staaten - Belgien, Niederlande, Großbritannien, Irland und Schweden - existieren spezialisierte Institutionen, die diesen Personen Rechtshilfe anbieten. Experten aus diesen Ländern diskutierten einen konkreten österreichischen Fall von rassischer Diskriminierung am Arbeitsplatz. Kein "Verkauf von weißem Brot durch schwarze Hände" erwünscht Es ging um eine Verkäuferin afrikanischer Herkunft mit 15 Jahren Berufserfahrung, die in der Innenstadtfiliale einer Grazer Bäckereikette angestellt wurde. Noch vor Ablauf der Probezeit wurde sie nach zwei Wochen mit der Begründung entlassen, die Kunden hätten sich bei der Zentrale gegen "den Verkauf von weißem Brot durch schwarze Hände" beschwert. Als Kompensation bekam sie vom Unternehmen lediglich ein Monatsgehalt, berichtete Perchinig. In Irland würde die Frau bis zu zwei Jahresgehälter erhalten, sagten die Diskussionsteilnehmer. In Schweden immerhin sechs Monatsgehälter und 6000 Euro für immaterielle Schäden, in Großbritannien mehr als 100.000 Schilling Entschädigung. In Belgien wäre der Chef des Unternehmens sogar mit bis zu zwei Jahren Haft bedroht, so der belgische Integrationskoordinator Paolo De Francesco. Die Experten erklärten, sie hätten durchwegs versucht, zunächst eine friedliche Einigung mit dem betroffenen Unternehmen zu erreichen, dann aber den gerichtlichen Weg beschritten. Der EU-Richtlinie definiert zum ersten Mal den Begriff von Diskriminierung aus rassischen, ethnischen Gründen sowie aufgrund sexueller Orientierung und verpflichtet die Mitgliedsstaaten, Personen und Unternehmen, die sich dieser schuldig machen, zu bestrafen. Außerdem muss jedes Land spezialisierte Einrichtungen schaffen, die den Opfern von Diskriminierung Hilfe angedeihen lassen und Bewusstseinsbildung betreiben. Ferner müssen die Opfer die Beweislast nun nicht mehr selbst tragen. Niessen kritisierte aber, dass die Richtlinie für Angehörige von Drittstaaten, die in der EU leben, nicht gelte, und dass religiöse Diskriminierung nicht geahndet werde. Außerdem seien die Kompetenzen der speziellen Institutionen zur Bekämpfung von Diskriminierung zu gering. Perchinig wies darauf hin, dass in allen Mitgliedsstaaten bereits Vorbereitungen zur Umsetzung der Richtlinie getroffen werden, nur Österreich habe bis jetzt "keine Vorarbeiten geleistet". Die schwarz-blaue Regierung "schubladisiere" die Angelegenheit, obwohl die Zeit für eine Umsetzung wegen der notwendigen Durchforstung von vielen Landes- und Bundesgesetzen bereits relativ knapp sei. Die Richtlinie muss nämlich bis Juli 2003 in nationales Recht umgesetzt werden. Der belgische Menschenrechtsexperte Jan Niessen, der maßgeblich an der Ausarbeitung der Richtlinie beteiligt war, betonte in seinem Vortrag, dass der Kampf gegen rassische Diskriminierung keineswegs "ein Steckenpferd von einigen Beamten in der Europäischen Kommission ist, sondern ein integraler Teil der Politik der EU". Die Personenfreizügigkeit und der gemeinsame Markt könnten nämlich nur funktionieren, wenn die Bürger anderer Länder nicht diskriminiert werden. Die Antidiskriminierungs-Richtlinie sei ein Fortschritt, da die in ihr enthaltenen Mindeststandards in den meisten Mitgliedsstaaten noch nicht erreicht würden. Niessen kritisierte, dass die Umsetzung der Richtlinie von der EU bis jetzt "nicht in ausreichendem Maße" zur Bedingung für einen Beitritt der mittel- und osteuropäischen Kandidatenländer gemacht werde. Arbeitsweise der Institutionen Die Experten stellten die Arbeitsweise der spezialisierten Institutionen in den einzelnen Ländern vor. In Großbritannien und Belgien konzentrieren sich die Institutionen auf den Aspekt rassischer Diskriminierung, während sie in den übrigen Staaten auch andere Formen von Diskriminierung behandeln. Sowohl die Kompetenzen der speziellen Einrichtungen als auch die rechtlichen Sanktionen sind unterschiedlich. Während das "Zentrum für gleiche Möglichkeiten und Opposition gegen den Rassismus" in Belgien sogar Hausdurchsuchungen veranlassen kann, beschränkt sich der Ombudsman für ethnische Diskriminierung in Schweden auf Rechtshilfe bei Arbeitsrechtsprozessen. Neben der Lösung der individuellen Fälle versucht man auch präventiv tätig zu sein, mit Öffentlichkeitsarbeit, Bewusstseinsbildung, Trainingsprogrammen für Beamte und Vorschlägen für Gesetzesänderungen. (APA)