Wien - Die Humangenetik müsse aus dem Elfenbeinturm heraus an die Öffentlichkeit gehen, dies forderte der Präsident der European Society of Human Genetics und Vorstand des Instituts für Medizinische Biologie und Humangenetik der Universität Innsbruck Univ. Prof. Dr. Gert Utermann auf der Podiumsdiskussion "Wiener Abend zur Humangenetik" am Donnerstag Abend. Gerade im deutschsprachigen Raum sei das Thema Genetik durch die Geschichte belastet, so der Kongresspräsident des derzeit stattfindenden 10. Internationalen Kongresses für Humangenetik in Wien. In der Öffentlichkeit gebe es über sein Forschungsgebiet oft völlig falsche Vorstellungen. "Das Vorurteil, Humangenetiker würden nicht über das nachdenken, was sie tun, entspricht nicht der Realität, wir sind uns unserer Verantwortung durchaus bewusst", sagte der Professor weiter, man müsse differenziert an Dinge herangehen, denn es gebe viele unterschiedliche Szenarien bei Krankheiten. In dem Hauptvortrag der Veranstaltung sah Prof. Dr. Uta Francke, Professor an der School of Medicine der Stanford University, folgende Hauptprobleme der Humangenetik:
  • Genetischer Determinismus: Die Gene seien aber nicht alles, der Mensch habe durch sein Gehirn die Fähigkeit der freien Entscheidung ohne einen Determinismus durch seine Gene.

  • Patentierung von Genen: Bevölkerungsgruppen könnten sich ausgenutzt fühlen.

  • Die Klon-Debatte: Viele Wissenschafter warnen, dass Versuche an Menschen gefährlich und unverantwortlich seien. Obwohl ein Erfolg des Klonens ihrer Meinung nach ohnehin zweifelhaft sei, solle man es trotzdem verbieten.
Die Relevanz des "Human Genom Projects" (das Projekt zur Entschlüsselung des menschlichen Erbguts, Anm.) für die Medizin liege vor allem auf dem Gebiet der Diagnostik. In der Therapie werde es ganz neue Medikamente geben, auf der Basis der Gene, die in dem Genom entdeckt wurden. Francke warnte allerdings vor übertriebenen Hoffnungen, da bei den "Volkskrankheiten" Krebs, Bluthochdruck oder Alzheimer jedes einzelne Gen nur einen geringen Effekt habe, und zudem auch die Umwelt eine Rolle spielen würde. Prof. Dr. Kurt Grünewald, Gesundheitssprecher der Grünen, wies in seinem Referat auf den komplizierten Balanceakt hin, zu dem die Politik seiner Meinung nach gezwungen sei. Auf der einen Seite stehe die Befürchtung nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, auf der anderen Seite gäbe es die Ängste einer oft nicht wirklich informierten Bevölkerung. "Die Welt ist zwar bequemer, aber nicht einfacher geworden", so der Politiker, "Der Fortschritt war schneller als das Begreifen, und schneller als der ethische Diskurs". Einig waren sich alle Diskutanten vor allem in einem Punkt. Viele der Vorbehalte entstünden durch Nichtwissen. Um den Leuten die Möglichkeit einer realistischeren Beurteilung der Humangenetik geben zu können, sei vor allem Aufklärung notwendig. (APA)