Die gemäßigten Befürworter der schwarz-blauen Koalition im so genannten Bürgertum und wohl auch Kanzler Schüssel selbst setzen ihre Hoffnungen darauf, dass die FPÖ dereinst ohne Haider eine "normale" Partei wird. Ohne Haider und mit einer Führungsfigur, die entweder Karl-Heinz Grasser oder Susanne Riess-Passer heißt. Auch etwas abgemagert und zurechtgestutzt - um die zwanzig Prozent, sodass sich eine Mehrheit gemeinsam mit der Volkspartei noch ausgeht.

Wie realistisch diese Ausblendung des Faktors Haider ist, muss hier einmal unberücksichtigt bleiben. Aber angenommen, das Problem löst sich - wie sieht es dann mit der Substanz und der Führungskompetenz von Grasser und Riess-Passer aus?

Beide haben einiges aufzuweisen, vor allem ein gewandtes und hart antrainiertes Auftreten in der Öffentlichkeit. Weder Grasser noch Riess-Passer verlieren so leicht die Ruhe, und beide sind sie offenbar durch die FP-Rhetorikschule gegangen, in der man lernt, den Kontrahenten durch gnadenloses Niederreden zu lähmen.

Beide sprechen auch exzellentes Englisch, was heute internationale Erfordernis darstellt. Aber wie steht es mit der Substanz? Finanzminister Grasser muss sehr bald beweisen, dass er über mehr verfügt als über glatte PR-Fähigkeiten. Der Bereich der ÖIAG schlittert in eine Führungskrise. Gleichzeitig geschieht nichts, um den Wirtschaftsstandort Österreich wirklich zu stärken. Die Installierung eines noch zu suchenden "Börsenchampions", der irgendwie (ohne Kompetenzen) den komatösen Kapitalmarkt aufwecken soll, ist nur ein weiteres Windei Grassers.

Maßstab seiner Leistungen wird letztlich die Erreichung des Nulldefizits sein. Dazu sind zwei Dinge notwendig (wenn Grasser nicht die Steuern weiter erhöhen muss, was nicht ausgeschlossen ist): Die Länder müssen mitspielen, und die Einsparung bei der Verwaltung muss funktionieren.

Letzteres fällt in die Verantwortung von Vizekanzlerin Riess-Passer. Eine fast unmögliche Aufgabe. Verwaltungskosten sind strukturell festgefressene Kosten. Riess-Passer hat bei der FP-Klubklausur in Kärnten versprochen, eine Verwaltungsreform "noch heuer" zustande zu bringen. Wenn ihr das gelingt, wäre es eine politische Meisterleistung. Es wird nicht gelingen. Trotzdem wird man an der Handhabung des Problems durch Riess-Passer sehen können, wie gut ihr politisches Manage- ment ist.

In den letzten Tagen und Wochen hat Riess-Passer ein paar Signale gesetzt, die sich als Anzeichen für eine vernünftige Haltung in einigen moralischen Kernfragen deuten lassen: Nicht nur bei ihrer USA-Reise, sondern auch in Interviews für österreichische Massenmedien erklärte sie, im Nationalsozialismus habe es "Opfer, Täter und Mitläufer" gegeben, die Österreicher trügen eine "Mitverantwortung", der sie nicht entgehen könnten, und man hätte den "Schweigekonsens" in der Nachkriegszeit früher brechen sollen. Beachtlich für eine FPÖ-Politikerin aus "nationaler" Braunauer Familie und jedenfalls eine Anerkennung einer geschichtlichen und moralischen Realität (auch Grasser ist in dieser Hinsicht wohl in Ordnung, hat sich aber weniger klar geäußert).

Riess-Passer widerspricht allerdings den wüsteren Aussagen und Handlungen ihres Parteichefs kaum jemals und flüchtet sich höchstens in ein "no comment". Irgendwann einmal wird sie sich aber von ihm emanzipieren müssen. Heute hätte sie (oder Grasser, aber der scheint ohnehin eher auf eine Wirtschaftskarriere zu zielen) keine Chance, auf einem Parteitag eine Konfrontation mit dem Jörg zu überstehen. hans.rauscher@derStandard.at