Wer steht hinter der Schließung der Internetcafés im Iran? Mehr als 400 Internetcafés wurden innerhalb von zwei Tagen auf Anordnung der Justizbehörde in Teheran unter nicht genau definierten Vorwürfen geschlossen. "Regierungsgegner wollen den freien Zugang zu Informationen kurz vor den Wahlen verbieten", meinte Mohamad Reza Khatami, der Generalsekretär der Mosharekat-Partei, der größten zur Zeit aktiven Partei im Iran, und wirft den Gegnern Khatamis vor, ohne stichhaltige Beweise vor-gegangen zu sein. Internetcafés sind inzwischen zu einem beliebten Treffpunkt der Jugendlichen im Iran geworden. Mehr als 1000 dieser Cafés bieten allein in Teheran ihre Dienste an. Viele Iraner sind so in ständigem Kontakt mit ihren Verwandten im Ausland. Man schätzt die Zahl der akademisch ausgebildeten Iraner, die im Ausland leben, auf mehr als drei Millionen. Neue Netzdienste Sie haben nie ihre Kontakte zum Iran abgebrochen, und das Internet ermöglicht einen intensiven Kontakt mit der Heimat. Das iranische Postministerium, das durch die Internetcafés Tausende von Telefonkunden ins Ausland verloren hat und deswegen seine Auslandstarife herabsetzen musste, hat in einer ersten Erklärung die Schließung der Internetcafés bedauert, aber gleichzeitig neue Internetdienste angeboten. "Man will den freien Zugang zum Internet unter Kontrolle bringen und nur solche Dienste anbieten, die mit islamischen Werten vereinbar sind", sagte dazu ein Internetanbieter in Teheran im Gespräch mit dem STANDARD und vermutete, dass ein großer Konkurrenzkampf zwischen dem Postministerium und der staatlichen Radio- und Fernsehanstalt als neuer Internetanbieter im Gange sei. Das zuständige Parlamentskomitee hat in einer Dringlichkeitssitzung versucht, Licht in die Vorgänge zu bringen. Bis jetzt ohne Erfolg. Am Ende der Sitzung sagte der Vorsitzende des Komitees, Muhamad Khoeini, im Kreis von Journalisten: "Das Parlament besteht weiterhin auf freiem Zugang zum Internet und bedauert den Vorgang." Auch das Innenministerium hat die Schließung der Internetcafés als illegal bezeichnet und von der Justiz eine Beweisführung verlangt. "Wenn wir den offenen Zugang zu Informationen verbieten, wird die Benutzung auf nicht mehr kontrollierbare Weise weitergehen", meinte der zuständige Staatssekretär Akbar Nemati. Wahlkampf Inzwischen bieten manche Internetprovider den direkten Zugang zum Internet. "Den freien Zugang zu Informationen kann man den Iranern nicht verbieten. Sie werden immer neuere Wege finden", schreibt die Zeitung Hejate Nou in ihrer neuesten Ausgabe und warnt vor Folgen. "Die Iraner müssen in den nächsten zwei Wochen auf weitere Überraschungen gefasst sein, das ist ein Teil des Wahlkampfs", meinte Norous am Mittwoch. Man rechnet in den nächsten Tagen unter anderem mit neuen Zeitungsschließungen. Norous könnte die erste sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.5.2001)