Wien - In der Zeit des Nationalsozialismus sind in Österreich ganze Autoren aus der Literaturgeschichte verschwunden, ohne nach 1945 wieder in ihre Rechte gesetzt worden zu sein. Auf dieses in der Restitutionsdebatte bisher unbeachtete Faktum machte nun die Österreichische Exilbibliothek im Wiener Literaturhaus aufmerksam: Anhand des vor 120 Jahren geborenen Wiener Schriftstellers Robert Weil, der 1960 im US-Exil verstarb.

1913 als Verfasser und Interpret der kabarettistischen Schulaufsätze des Poldi Huber berühmt geworden, geriet Weil nach seiner Emigration 1938 so weit in Vergessenheit, dass sein Anspruch auf die Miturheberschaft am Drehbuch zu Ernst Marischkas Nachkriegs-Kinohit Sissi im Sande verlief.

Robert Weil hatte, wie seine Tochter Dorrit Molony, der Wiener Kabarettforscher Hans Veigl und Exilbibliotheksleiterin Ursula Seeber bei der Veranstaltung berichteten, die Bühnenwirksamkeit des Sissi -Stoffes erkannt. 1931 erschien sein Stück Sissys Brautfahrt . Da Hubert Marischka wegen Publikumsmangels um seinen Direktorsposten am Theater an der Wien bangte, wandte sich Bruder Ernst Marischka an den mit ihm befreundeten Robert Weil. Mit dem ebenfalls jüdischen, ebenfalls literaturgeschichtlich verdrängten Ernst Decsey arbeitete Weil sein Stück in ein Singspiel-Libretto um. Unter dem Titel Sissy und in der Vertonung durch Fritz Kreisler wurde es 1932 zum Kassenschlager. Bereits damals musste sich Weil allerdings mit zehn Prozent der Autorentantiemen begnügen. Wegen des zunehmenden Antisemitismus zeichnete Weil statt mit seinem bürgerlichen Namen oder mit seinem seit den Poldi-Huber -Aufsätzen eingeführten Pseudonym Homunkulus mit dem "unverdächtig" klingenden neuen Pseudonym Gustav Holm. Trotz anderslautender Zusagen, so Dorrit Molony, hat Marischka auf dem Programmzettel die Urheberschaft noch weiter verdeckt, indem dort die Formulierung "nach einem Stück von Gustav Holm und Ernst Decsey" verwendet wurde. Als 1948 Marischkas Film-Trilogie Sissi reüssierte, nahm Weil, inzwischen gar nicht mehr als Autor erwähnt, die von ihm festgestellten umfassenden inhaltlichen Anleihen an seinem und Ernst Decseys Werk zum Anlass eines urheberrechtlichen Klärungsversuches. Zermürbt von seiner finanziellen Lage als Depeschenbote in den USA, von der abwehrenden Reaktion Ernst Marischkas und von der Last der Jahre unterließ Weil rechtliche Schritte. Tochter Dorrit Molony kämpft auch jetzt nur darum, "dass meine Enkelin weiß, was ihr Urgroßvater hervorgebracht hat und was nicht". Ihr nächster öffentlicher Auftritt: Am 30. Mai bei den Jüdischen Kulturwochen (Der Mann, der Sissi erfand , Jüdisches Museum, Wien 1., Dorotheergasse 11, 19.30 Uhr). (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 5. 2001)