Wien - Einfach vererbbare Krankheiten sind leicht zu diagnostizieren. Zumeist "grassieren" sie in bestimmten Familien. Wer die Anlage dazu besitzt, hat ein enorm gesteigertes Risiko zu erkranken. Doch diese Leiden sind zumeist sehr selten. In Zukunft aber sollen Mutations-Muster Ärzten auch Aufschluss über häufige und auf vielen genetischen Faktoren beruhende "Volkskrankheiten" geben: Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Migräne etc. Das "Zauberwort" der Humangenetiker dabei: Single-Nukleotid-Polymorphismen (SNP). "Diese SNP eignen sich besonders für die Auffindung von Veranlagungen für häufige und komplexe Krankheiten", erklärte Mittwoch Vormittag beim 10. Internationalen Kongress für Humangenetik im Austria Center Vienna (bis 19. Mai) Neil Risch von der Abteilung für Genetik der Stanford University im US-Bundesstaat Kalifornien. Das Prinzip dieser SNP, die unter anderem von einem Konsortium der größten Pharmakonzerne und des britischen Wellcome Trust auf dem menschlichen Genom kartiert werden: Es handelt sich um jene minimalen Variationen im menschlichen Erbgut, die jeden Menschen zu einem Individuum machen: Den Austausch einzelner der insgesamt rund drei Milliarden Basen-Bestandteile des menschlichen Genoms. Risch: "Das kann in Genen sein oder in nicht-kodierenden Abschnitten des Genoms." Manche dieser Varianten können direkt Krankheiten verursachen, andere nicht. Der US-Experte: "Derzeit schätzt man, dass das menschliche Genom zwischen drei und fünf Millionen solcher SNP besitzt. 1,4 bis 2,1 Millionen wurden bereits identifiziert." Die Plan der Wissenschafter: Könnte man quer durch das Genom eines Menschen gleichmäßig verteilte 30.000 bis 500.000 solcher Punkte auf mögliche Mutationen untersuchen, könnte der Test einen Hinweis auf eine Gefährdung durch verschiedenste Krankheiten bieten. Durch einen Vergleich solcher SNP-Untersuchungen bei Patienten mit bestimmten Erkrankungen und nicht Betroffenen sollen schließlich auch bei komplexen Erkrankungen, die auch auf Umeltfaktoren beruhen, Gen-Muster erkennbar werden, mit denen man die am meisten gefährdeten Personen identifizieren kann. Risch: "Die meisten häufig vorkommenden Krankheiten beruhen auf oft vorliegenden genetischen Veränderungen mit schwacher Wirkung. Sie interagieren mit Umweltfaktoren." Ein klassisches Beispiel: Lungenkrebs. Viele Menschen rauchen, doch im Vergleich dazu erkranken nur relativ wenige - wenn auch auf jeden Fall viel zu viele - an Lungenkrebs. Die Chance, "das Lungenkrebs-Gen" zu finden, sind gering. Es dürfte nicht existieren. Doch stattdessen könnte ein Test vieler Tausender SNP-Marker zeigen, dass bei Vorliegen bestimmter Muster bei einem Menschen von einer größeren Gefährdung ausgegangen werden kann. Der US-Experte: "Die Frage ist nur, wie viele SNP wir bei einem Menschen untersuchen müssen. Die Untersuchung von 500.000 solcher Marker würde unsere derzeitige Technik sicher überfordern. Aber man könnte mit 30.000 beginnen und hätte eine gute Chance, wichtige genetisch bedingte 'Anfälligkeiten' eines Menschen für Krankheiten zu entdecken." Derzeit arbeiten Pharmakonzerne an solchen Testanordnungen mit rund 200.000 SNPs. Sie sollen Hinweise auf das Risiko eines Patienten geben, auf ein bestimmtes Arzneimittel mit schweren Nebenwirkungen zu reagieren. (APA)