Wien - Im Jahr 2004 - so der Plan des Pharmakonzerns GlaxoSmithKline - könnten Patienten erstmals vor der Verschreibung des Aids-Medikaments Abacavir getestet werden, ob bei ihnen nach Einnahme des Arzneimittels die Gefahr schwerer Nebenwirkungen besteht. "In einer zweiten Etappe wird man dann versuchen, Tests auf die Wirksamkeit bei dem einzelnen Patienten zu etablieren", erklärte am Dienstagabend beim Internationalen Humangenetik-Kongress im Austria Center Vienna Allen Roses, von der Genetik-Forschungsabteilung des Pharmakonzerns. Roses hat vor Jahren entdeckt, dass bestimmte Varianten im Gen, das für die körpereigene Produktion des Eiweißstoffes Apolipoprotein E verantwortlich ist, Menschen mehr oder weniger für den frühen Ausbruch von Morbus Alzheimer anfällig macht. Der Wissenschafter: "Jemand, der die Genvariante APO 4/4 aufweist hat ein 50-prozentiges Risiko, vor dem 70. Lebensjahr an der Alzheimer-Demenz zu erkranken." Andere Gen-Varianten sind hingegen ein Schutzfaktor gegen die Demenz. Doch mit der groß angelegten Analyse der feinsten zwischen Menschen bestehenden genetischen Unterschiede, wird sich die Medizin bis hin zur Verschreibung von Arzneimitteln radikal ändern. Roses: "Wir haben Abacavir. Das ist ein hoch wirksames Aids-Medikament. Aber drei bis fünf Prozent der Behandelten reagieren mit einer Hypersensitivitäts-Reaktion auf den Wirkstoff. Das kann lebensgefährlich werden. Deshalb wollen wir die Gefährdeten finden." Derzeit ist bereits eine Studie angelaufen, in der jeweils 200.000 Gen-Marker bei Menschen, die das Arzneimittel vertragen und solchen, die es nicht vertragen, untersucht werden. Diese Marker sind minimale Mutationen im Erbgut, so genannte Single-Nukleotid-Polymorphismen. Ergeben sich zwischen den beiden Personengruppen dabei unterschiedliche Muster, wäre das jenes Charakteristikum, nach dem man bei einem Vorsorge-Test suchen könnte. Roses: "Vergangenes Jahr hat eine solche Untersuchung für einen Menschen noch 200.000 Dollar gekostet. In diesem Jahr sind es nur noch 20.000 Dollar (22.810 Euro/313.875 S, Anm.)." Bei einer entsprechenden Weiterentwicklung könnte das binnen weniger Jahre erstmals dazu führen, dass Gentests die Verschreibung von Arzneimitteln beeinflussen. Der Wissenschafter: "Immerhin zeigen Studien, dass 28 Prozent der mit Medikamenten behandelten Patienten, Nebenwirkungen erleiden." In den USA schätzte man den jährlichen Schaden durch Arzneimittel-Nebenwirkungen - Krankheit und/oder Tod - auf immerhin rund 77 Milliarden Dollar." Die Entwicklung wird noch weiter gehen. Roses: "Wir werden beispielsweise beim Auftreten von neuen Nebenwirkungen auf ein Arzneimittel binnen kürzester Zeit Gentests entwickeln könnnen. Arzneimittel werden zum Teil auch nur noch für Menschen zugelassen werden, bei denen Gentests ergeben haben, dass die Medikamente bei ihnen auch wirkliche einen Effekt und keine schweren Nebenwirkungen haben." Gefährdete würde man aufklären und ihnen eben andere Arzneimittel verabreichen.(APA)