EU
Erweiterungsdebatte: EU "sehr nahe" an Einigung
Beim Außenministertreffen in Brüssel setzt bislang nur Madrid auf Widerstand
Brüssel - Die Außenminister der EU seien sich in ihren Positionen zur Personenfreizügigkeit "sehr nahe" gekommen, erklärte die
schwedische Außenministerin und amtierende EU-Ratsvorsitzende am späten Montagnachmittag in Brüssel. "Fast alle" Mitgliedsländer
würden den Kompromiss des EU-Vorsitzes unterstützen, der bis zu sieben Jahre Übergangszeit für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und
ausgewählten Dienstleistungen ermögliche. Sie hoffe, es werde "so bald wie möglich" eine Einigung geben, sagte Lindh.
Die Verhandlungen würden diese und nächste Woche weiter geführt. Man sei sich über zwei Prinzipien einig, erläuterte die schwedische
Ministerin: Einzelne Kapitel dürften nicht verknüpft werden und das Kapitel Dienstleistungsfreiheit dürfe nicht mehr aufgeschnürt werden.
Spanien widerständig
Der deutsche Außenminister Joschka Fischer sagte nach den Beratungen, vierzehn EU-Partner seien mehr oder wenig der Ansicht, dass
keine Pakete geschnürt werden dürften, die nicht zusammengehörten. Nur ein Land sei nicht bereit, einen Kompromiss zu akzeptieren.
Madrid will bekanntlich im Gegenzug zu Übergangsfristen für den freien Zuzug der osteuropäischen Arbeitnehmer eine Zusicherung der
EU-Partner, dass die Förderungen aus den EU-Regional- und Strukturfonds nach der Erweiterung nicht abrupt für Spanien abgebrochen
werden.
Es werde sicher ein schrittweises Auslaufen der Förderungen für die Alt-Mitglieder der EU ausverhandelt, sobald die mittelfristige
Finanzplanung der EU neu verhandelt werden müsse, zeigte sich Fischer überzeugt. Die Neuverhandlungen sind für 2006 vorgesehen. Bis
dahin blieben die Berliner Beschlüsse der Agenda 2000 gültig, so Fischer. Aber "Solidarität ist keine Einbahnstraße", appellierte der grüne
Politiker an Spanien. Nicht kommentieren wollte Fischer die vorläufigen Wahlergebnisse in Italien.
Verheugen warnt Österreich und Deutschland
EU-Erweiterungskommissar Günther Verheugen mahnte laut EU-Ratskreisen Deutschland und Österreich vor dem Versuch, das bereits
ausgehandelte Kapitel der freien Dienstleistungen wieder aufzumachen. Beide Länder haben Ausnahmelisten insbesondere für das
Baugewerbe angekündigt, um sich vor der Billigkonkurrenz aus dem Osten zu schützen. "Kleine Erschütterungen in Brüssel können Erdbeben
in den osteuropäischen Ländern auslösen", so der deutsche Kommissar. Der Zeitplan für die Beitrittsverhandlungen müsse eingehalten
werden.
Ein Verhandlungsbereich könne nur dann wieder eröffnet werden, wenn sich entweder der EU-Rechtsbestand weiter entwickelt habe oder
ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen nicht nachkomme. Die Frage der Dienstleistungen könnte aber im Kapitel Freizügigkeit der
Arbeitskräfte aufgerollt werden, wie es auch Berlin und Wien gefordert haben, insbesondere wenn es um Pendler in den Grenzregionen gehe.
Ferrero-Waldner konstatiert "Verhärtung"
Außenministerin Benita Ferrero-Waldner konstatierte bei der Haltung Spaniens hinsichtlich der Übergangsfristen und den Finanzforderungen
noch eine Verhärtung gegenüber dem jüngsten informellen Rat von Nyköping vor zwei Wochen. Die Ministerin warnte: "Jetzt droht leider eine
Verzögerung am Horizont." Zuvor hatte der deutsche Außenminister Joschka Fischer die von Spanien verlangte Paketlösung rundweg
abgelehnt. (APA)