Buenos Aires - In vielen Ländern Lateinamerikas gibt es Gesetze, die dafür sorgen sollen, dass arbeitende Frauen nach der Geburt eines Kindes für mehrere Wochen oder Monate zu Hause bleiben können. Doch kaum ein Arbeitgeber hält sich daran. Selbst Regierungsbehörden ignorieren den verbrieften Mutterschutz. Stillschweigend rechnen sie damit, dass die betroffenen Frauen auf ihre Rechte verzichten. Unsicherheit kennzeichnet in vielen Ländern die wirtschaftliche Lage. Arbeitsplätze sind rar, befristete Arbeitsverträge laufen schnell ab und müssen oft schon nach kurzer Zeit verlängert werden. Da wagt es kaum eine Frau, auf dem Mutterschaftsurlaub zu pochen. Dennoch fordert die argentinische Anthropologin Monique Altschul, eine engagierte Feministin: "Wenn die Frauen nicht endlich ihre Rechte aktiv verteidigen, laufen sie Gefahr, diese ganz zu verlieren." Sie verweist darauf, dass sich die Arbeitsbedingungen in Lateinamerika zunehmend verschlechtern. Die täglich geforderte Arbeitszeit wird länger, die Arbeitsrechte werden immer weniger respektiert, die Gewerkschaften sind machtlos. Auf Papier Dabei ist auf dem Papier alles geregelt. In Mexiko und Peru dauert der Mutterschaftsurlaub 84 Tage, in Argentinien und Uruguay drei Monate, in Brasilien vier und in Chile und Venezuela viereinhalb Monate. Die kubanische Regierung hat vor kurzem die Freistellung von Müttern nach der Geburt bei voller Bezahlung auf ein ganzes Jahr verdoppelt. Doch nur in Kuba wird der gesetzliche Mutterschutz auch buchstabengetreu eingehalten. Überall sonst sieht die Situation ganz anders aus. Wie etwa die von Rosaura Paulero. Die Stadtverwaltung von Buenos Aires hat die Psychologin und Mediationsexpertin angestellt - befristet, versteht sich. Der Einjahresvertrag sieht weder Urlaub noch Mutterschaftsurlaub vor. Die Behörde zahlt Paulero weder einen Beitrag zur Krankenversicherung noch eine Altersversorgung. "Eine meiner Freundinnen hat acht Jahre lang für das Justizministerium gearbeitet und immer nur einen befristeten Arbeitsvertrag erhalten. Nicht etwa, weil es nicht genügend Arbeitsplätze gegeben hätte. Man wollte auf diese Weise einfach Arbeitskosten sparen", erläuterte Paulero. Beim Aushandeln eines Mutterschaftsurlaubs sei man auf die Gnade des direkten Vorgesetzen angewiesen. "Als Schwangere muss man sich irgendwie mit dem Boss arrangieren. Doch da ist keine Rede von den gesetzlich garantierten drei Monaten. Mehr als höchstens einen Monat Urlaub kriegen wir nicht." Arbeit nach Hause Die Rechtsanwältin Ana Rielo arbeitet als Berichterstatterin für einen Richter. "Eigentlich habe ich das Recht auf drei Monate Mutterschaftsurlaub, doch ich kann ihn nicht in Anspruch nehmen", berichtete die Juristin IPS. "Als ich mein erstes Kind bekam, musste ich mir Arbeit mit nach Hause nehmen. Beim zweiten wollte mein Chef mir diese Hausarbeit ersparen. Doch im Büro stapelten sich die Akten, so dass ich beschloss, meinen Mutterurlaub vorzeitig zu beenden." Es sei zwecklos, derzeit in Argentinien vor Gericht das Recht auf Mutterschutz einzuklagen, stellt die Anwältin Carmen Gonzalez gegenüber IPS fest. "Immer mehr Frauen erhalten Arbeitsverträge, die auf drei, sechs, 18 oder 24 Monate befristet sind und dann erneuert werden müssen. Urlaub für Mütter ist darin nicht vorgesehen", kritisiert die engagierte Feministin. Sie warnt, in Lateinamerika werde es bald US-amerikanische Verhältnisse geben, wo es keinen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub gibt. Man entferne sich immer mehr vom Ideal Europa. "Für Europäer haben nicht nur die Neugeborenen Rechte, sondern auch deren Mütter." Ganz besonders schlecht gehe es in Argentinien dem weiblichen Hauspersonal, das den größten Teil der Beschäftigten stellt. Für sie sehe nicht einmal das Gesetz einen Mutterschaftsurlaub vor, klagt die Juristin. Drei Viertel unterhalb der Armutsgrenze Nach Berechnungen der in Santiago ansässigen Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) rechnet man in der Region neun Prozent der Bevölkerung zu den Reichen. 14 Prozent verfügen über ein mittleres Einkommen, und die übrigen drei Viertel der Menschen, die im Arbeitsleben stehen, werden mit Löhnen abgespeist, mit denen sie unterhalb der Armutsgrenze bleiben. In den 90er Jahren waren die Unternehmen dazu übergegangen, Arbeitsverträge flexibler zu gestalten, um Kosten zu sparen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, berichtet CEPAL. Nach Berechnungen der UN-Organisation können Arbeitgeber ein Fünftel der Lohnkosten einsparen, wenn Personal beschäftigt wird, das keinen Anspruch auf soziale Absicherung, auf Urlaub, Mutterschaftsurlaub oder Renten hat. Deshalb bevorzugen sie befristete Arbeitsverträge, die vor allem Frauen und jungen oder unqualifizierten Arbeitskräften angeboten werden. In Ecuador haben 45 Prozent der Arbeitnehmer befristete Verträge. Doch in etlichen Ländern Lateinamerikas ist das Arbeitsverhältnis überhaupt nicht vertraglich geregelt. In Paraguay gilt dies für 45 Prozent der arbeitenden Bevölkerung, in Brasilien für 46 Prozent, in Peru und Argentinien für 41 Prozent und in Kolumbien für 32 Prozent der Beschäftigten. (Marcela Valente/IPS)