Der neue Wallfahrtsort der Rechten heißt Gallipoli. Hier, am südlichsten Zipfel des Stiefels, liegt der heißeste Wahlkreis Italiens. Jener des früheren Ministerpräsidenten Massimo D'Alema. Der langjährige Parteichef der Linksdemokraten hat sich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. Er kandidiert nur in diesem einzigen Wahlkreis. Verliert er das Duell gegen den 43-jährigen Richter Alfredo Mantovano von der rechten Alleanza Nazionale, ist D'Alema auch seinen Parlamentssitz los. Für die Rechte ein Kampf mit Symbolwert. Die apulische Stadt sieht sich plötzlich zu einem zentralen Schauplatz der italienischen Politik aufgewertet. Silvio Berlusconi, mit dem Hubschrauber eingeflogen, attackiert "den eigentlichen Führer der Linken" hier mit beispielloser Vehemenz. D'Alema sei "ein alter Bolschewik, der im Parlament ein paar Verräter gekauft hat, um sich eine Mehrheit zu beschaffen", wettert der Cavaliere. "Nach seiner Niederlage wird D'Alema das tun müssen, was er noch nie getan hat, nämlich arbeiten!", höhnt Berlusconi unter dem Jubel seiner Anhänger. D'Alema, der hier 1996 mit zehn Prozent Vorsprung gewonnen hat, spricht von "Menschenjagd". Angesichts des Großaufmarsches rechter Parteiführer sucht er Trost in der Geschichte: "Gallipoli hat schon die venezianische Flotte in Schach gehalten", witzelt der Linksdemokrat. Da kann Gianni Rivera seinen Wahlkampf schon gelassener angehen. Der Mittelstürmer der italienischen Weltmeister-Elf von 1970 hat eigentlich nichts zu verlieren. Sein Gegner im großbürgerlichen Wahlkreis Mailand 1 ist kein Geringerer als Silvio Berlusconi. Rivera ist Staatssekretär im Verteidigungsministerium, sein Einstieg in die Politik liegt bereits 15 Jahre zurück. "Ich habe für die Christdemokraten kandidiert. Mein Vater war ein roter Eisenbahner und hat mir die Stimme verweigert", erinnert sich Rivera. Es sind zwei Symbolfiguren des AC Milan, die hier aufeinander treffen. Der eine hat den Fußballklub verlassen, als ihn der andere (Berlusconi) kaufte. Berlusconi ist so siegessicher, dass er in seinem Wahlkreis auf direkte Auftritte verzichtete. Giovanna Melandri ist mit dem Rad unterwegs - nur im Wahlkampf. Ihre Gegner versichern allerdings, man werde sie in Zukunft öfter mit dem Rad sehen. Die Kulturministerin werde nämlich "nur noch bis 13. Mai über ihren Dienstwagen verfügen". Im Wahlkreis Rom 1 "geht es buchstäblich um jede Stimme", bangt die 39-jährige Linksdemokratin, die gegen einen Unternehmer mit Revanchegelüsten antritt: Pierluigi Borghini hat 1997 die Bürgermeisterwahl deutlich gegen Francesco Rutelli verloren. 1996 hat hier im römischen Stadtzentrum Silvio Berlusconi gewonnen, zwei Jahre später der Linksdemokrat Walter Veltroni, bei den Regionalwahlen lag das Rechtsbündnis wieder um 1400 Stimmen vorn. Der Ministerin wird hier nichts geschenkt. Zwischen Kolosseum und Piazza del Popolo sucht sie täglich das Gespräch mit der Bevölkerung, besucht Geschäfte, Cafés, Altersheime, diskutiert mit Passanten. Nicht immer mit Erfolg: "Sie ist eine ausgesprochen attraktive Frau", lobt ein Geschäftsmann ihre Erscheinung. "Aber meine Stimme bekommt sie dennoch nicht." (DER STANDARD, Print, 12.5.2001)