Mensch
"70 Prozent der Lebensmittel haben mit Gentechnik zu tun"
Ernährungswissenschafter Jany raubt so manchem die Illusionen
Wien - Durchwegs Zustimmung zu gentechnisch modifizierten Lebensmitteln (GML) gekundeten die eingeladenen Vortragenden beim
Auftakt der Vortragsreihe "Zankapfel Gentechnik" an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien Montag Abend in Wien. Laut dem
deutschen Ernährungswissenschafter Klaus-Dieter Jany (Karlsruhe) haben bereits 70 unserer Nahrungsmittel in irgend einer Form mit
Gentechnik zu tun.
Die vielfach geäußerte Aussage, GML seien prinzipiell weniger gesunder als herkömmliche Lebensmittel, verweist der Experte ins Reich der
Fabeln. Für ihn, Jany, gibt es gar keinen Unterschied, GML seien wegen verschiedener gesetzlicher Bestimmungen sogar besser geprüft als
andere Nahrung. Zum Argument "Sicherheit" verweist der Ernährungswissenschafter auf die Tatsache, dass auch das Essen von
althergebrachten Nahrungsmitteln - etwa Erdäpfeln - mit gewissen Risiken verbunden sei. "Würden etwa Kartoffeln heute neu auf den Markt
kommen, müssten wahrscheinlich Warnhinweise wie 'Nicht roh verzehren' oder 'Grüne Stellen ausschneiden' angebracht werden", ist der
Experte überzeugt.
Verzerrte Wahrnehmung?
Jany ortet eine völlig verzerrte Risikowahrnehmung des Konsumenten bei der Ernährung. So würden alleine in Deutschland jährlich 100
Todesfälle durch Lebensmittelvergiftungen verursacht, 5.000 sterben an Allergien, 500.000 Menschen wegen falscher Ernährungsweise.
Diese Gefahren seien in der Bevölkerung weit weniger bewusst, als mögliche Gefahren durch GML.
Der österreichische Lebensmitteljurist und Mitglied der Lebensmittel-Codexkommission Konrad Brustbauer sprach sich für die
Kennzeichnung von GML aus. Dies sei jedenfalls besser, als irgendwelche Verbote zu verhängen. Die Entscheidung für bestimmte
Lebensmittel sollte letztendlich dem Konsumenten überlassen werden, dieser könnte damit auch die Produktion beeinflussen.
Österreich-Spezifikum
Die speziell in Österreich zu beobachtende ablehnende Haltung gegenüber GML sieht der Jurist Nikolaus Zacherl vom Institut für molekulare
Pathologie (IMP) darin begründet, dass der Konsument derzeit noch keinen persönlichen Nutzen durch den Kauf von GML sehe. Ganz
anders sei die Situation bei durch Gentechnik hergestellten Medikamenten. Hier sei der Nutzen offensichtlich, daher gebe es auch eine große
Akzeptanz dafür.
Zacherl ist überzeugt, dass mit der Einführung von GML der 2. Generation die Akzeptanz auch für Nahrungsmittel steigen werde. Dabei
würden den Lebensmitteln durch gezielte Veränderungen verschiedene gesundheitsschädliche Wirkungen "abgewöhnt" - etwa allergische
Wirkungen - und sogar gesundheitsfördernde eingepflanzt. "Die Vorteile müssen sich erweisen, dann wird die Diskussion auch geklärt sein",
so Zacherl.(APA)