International
Fulda-Reifen verweigert NS-Entschädigungen
US-Konzerntochter lässt ehemalige Zwangsarbeiter nicht ins Werk
Fulda - Der deutsche Reifen-Hersteller Fulda hat am Dienstag ehemaligen Zwangsarbeitern aus Weißrussland den Zutritt zur
Fabrik verwehrt. Das Unternehmen lehnt eine Zwangsarbeiter-Entschädigung ab und beteiligt sich nicht am Entschädigungsfonds der
Wirtschaft. Die Gruppe von etwa 20 Weißrussen, die während des Zweiten Weltkriegs in hessischen Unternehmen arbeiten mussten, fuhr am
Vormittag zum Werksgelände in Fulda, durfte jedoch den Betrieb des Reifenproduzenten nicht besichtigen.
Der Personalchef der Fulda Reifen GmbH wollte keine Angaben dazu machen. Der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Herrmann berichtete, der
Besuch der Gruppe hätte gerade bei dieser "sensiblen Angelegenheit" besser geplant werden müssen. Der Besichtigungs-Wunsch sei
unvorbereitet gekommen. Zunächst habe nur ein ehemaliger Zwangsarbeiter das Werk besuchen wollen, in dem er gearbeitet habe. Später
wollte dann die gesamte Gruppe die Fabrik besichtigen. Die Geschäftsleitung habe dies jedoch abgelehnt.
Reifenwerk abschotten
Es gebe eine generelle Vorschrift, keine Besuchergruppen durch die Reifen-Produktionsstätten zu führen, sagte Herrmann. Als einen Grund
nannte er die Unfallgefahr. Die Fulda Reifen als Tochter des US-Konzerns Goodyear sieht keine Verantwortung, der Stiftungsinitiative der
deutschen Wirtschaft zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter beizutreten. Zur Begründung hatte Fulda früher erklärt, Goodyear habe
maßgeblich dazu beigetragen, dem Unrechtssystem in Deutschland ein Ende zu bereiten.
Außerdem gebe es nur bruchstückhafte Unterlagen über die Geschäfte vor 1962. Nach Darstellung der Organisation American Jewish
Committee (AJC) hatte der Reifenproduzent in Fulda während der NS-Zeit aber Zwangsarbeiter beschäftigt. Fuldas Oberbürgermeister
Alois Rhiel empfing die abgewiesenen Weißrussen am Dienstag im Rathaus. Er sagte zum Verhalten der Fulda Reifen GmbH, "ich hätte es mir
sehr gewünscht, dass eine Begegnung zu Stande gekommen wäre."
Die Gruppe ist in dieser Woche in Hessen unterwegs. Die Weißrussen besuchen Orte, in denen sie im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeit
leisten mussten. Der Aufenthalt wird von der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau organisiert. (APA/dpa)