Rom - Die letzte Hoffnung der wackeligen Regierungskoalition in Italien heißt Francesco Rutelli. Dem 47-jährigen Ex-Bürgermeister von Rom wurde eine Aufgabe anvertraut, vor der auch politisch erfahrenere Persönlichkeiten als Rutelli zurückschrecken würden: Den Oppositionschef, Medienmogul und klaren Favoriten bei den Parlamentswahlen am 13. Mai, Silvio Berlusconi, herauszufordern. Die Regierungsparteien ernannten Rutelli zum Premierkandidaten auf Kosten des angesehenen bisherigen Regierungschefs Giuliano Amato, der über wesentlich größere Regierungserfahrung und internationales Prestige verfügt. Der Grund: Der fesche Rutelli ist mit seinem lockigen Haar und den grünen Augen der im Medienzeitalter geeignetere Kandidat für das Wahlduell mit dem König des italienischen Fernsehens Berlusconi. "Cicciobello" (Schönling) ist der Spitzname des leidenschaftlichen Golfspielers. Er profitiert vom Mangel an durchsetzungsfähigen Persönlichkeiten im Regierungsbündnis, um einen Sprung zu wagen, der bisher noch keinem geglückt ist: Vom Bürgermeister der 3,5-Millionen-Metropole Rom, die er seit 1993 verwaltet hatte, zum Regierungschef aufzusteigen. Um seinen Traum zu verwirklichen, kann der gebürtige Römer auf seine politische Wendigkeit zurückgreifen. In den 70er-Jahren gehörte er den Radikalen an, warb für die "homosexuelle Befreiung", die legale Schwangerschaftsunterbrechung und den ungestraften Konsum von Marihuana. Zehn Jahre später trat er zu den Grünen über. 1993 wurde er zum Umweltminister im Kabinett des nunmehrigen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi ernannt. Er bekleidete diesen Posten aber nur einen Tag lang, denn er trat aus Protest gegen eine Abstimmung zurück, bei der das Parlament entgegen den Forderungen der Mailänder Staatsanwälte die Aufhebung der Immunität des früheren Sozialistenchefs Bettino Craxi verweigerte, gegen den wegen Korruption ermittelt wurde. Im selben Jahr gewann Rutelli mit über 60 Prozent der Vorzugsstimmen die Bürgermeisterwahlen in Rom. Seitdem hat er noch einmal die Partei gewechselt: Im Februar 1999 gründete er mit dem heutigen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi die Partei der Demokraten, die zum Hauptbestandteil der Regierungskoalition wurde. Als Bürgermeister engagierte sich Rutelli mit ganzer Kraft für die Vorbereitungen des Jubiläumsjahr 2000 in Rom. Der ehemalige Radikale, der in den 70-er Jahren Wahlreden gegen den Papst und den Vatikan gehalten hatte, entwickelte sich zu einem effizienten Sonderkommissar für die Vorbereitung auf das Heilige Jahr, pflegte intensive Kontakte zum Vatikan und heiratete kirchlich die bekannte Journalistin Barbara Palombelli, mit der er bereits vor 20 Jahren standesamtlich getraut worden war. Rutellis Anhänger sind der Ansicht, er habe auf entscheidende Weise zur Erneuerung der Hauptstadt beigetragen. Dank seines Einsatzes sei die Ewige Stadt schöner, sicherer und sauberer geworden. Seine Gegner behaupten aber, alle Probleme der Metropole - ineffizientes Verkehrsnetz und Luftverschmutzung - seien nach wie vor ungelöst. Dem begeisterten Fan des Fußballklubs Lazio Rom stehen nur wenige Tage zur Verfügung, um die Italiener zu überzeugen, wieder einmal mehrheitlich für die Mitte-Links-Koalition zu wählen. Ob Rutellis Charisma genügt, um so verschiedene Parteien wie Altkommunisten und Wirtschaftsliberale, Linksdemokraten und die christlich-demokratische Volkspartei unter einem Dach namens "Ulivo" ("Ölbaum") zusammenzuhalten, ist fraglich. Ebenso fraglich ist, ob sein Image genügt, um den selbstbewussten Berlusconi zu besiegen, der nach sechs Jahren in der Opposition viele Skeptiker von der Notwendigkeit eines Machtwechsels zu überzeugen scheint. Ein Problem stellen auch seine Beziehungen zum noch amtierenden Regierungschef Amato dar, der Rutellis Kandidatur nicht gerade mit Begeisterung begrüßt hatte. (APA)