Nahost
Scharfe Kritik aus Europa und den USA an Israel
Kein Verständnis für neuerliche militärische Vorstöße in Palästinensergebiet
Washington/Berlin/Kairo/Wien - Die israelischen Militärvorstöße in Gebiete der palästinensischen
Selbstverwaltung sind von den USA und europäischen Regierungen scharf verurteilt worden. Washington warf Israel vor, mit dieser "ernsten
Eskalation" die Entspannungsbemühungen zu unterlaufen. Im Namen der meisten EU-Regierungen hat Dänemark Israels Führung zu einer
Kursänderung aufgefordert. Die Gewalttätigkeiten hätten ein "inakzeptables Maß" angenommen, sagte Außenminister Mogens Lykketoft am
Dienstag nach einem Treffen mit seinem israelischen Ressortkollegen Shimon Peres in Berlin.
Das fortgesetzte Eindringen Israels in die unter palästinensischer Oberhoheit stehenden Zonen verlängere den Zyklus der Gewalt, betonte
US-Außenamtssprecher Richard Boucher. Washington appelliere an Israelis und Palästinenser, "ein Maximum an Zurückhaltung" zu zeigen.
Als "schreckliche Tragödie" bedauerte der Sprecher den Tod eines fünf Monate alten palästinensischen Kindes beim Beschuss des
Flüchtlingslagers Khan Yunis im Gaza-Streifen durch israelische Panzer am Montag.
Am Rande des Kongresses der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) in Berlin appellierte Lykketoft an die israelische Führung, auf
völkerrechtswidrige Siedlungsaktivitäten in besetzten Gebieten unverzüglich zu verzichten. Die Blockade der Selbstverwaltungsgebiete müsse
aufgehoben werden, verlangte der dänische Minister. Den jordanisch-ägyptischen Nahost-Plan zur Wiederbelebung der Friedensgespräche
bezeichnete Lykketoft als "gutes Fundament", um wieder einen Dialog zu eröffnen.
Ägyptisch-jordanische Initiative
Der ägyptisch-jordanische Vorschlag, den König Abdullah II. von Jordanien unterdessen in Wien Bundespräsident Thomas Klestil erläuterte,
sieht einen totalen Baustopp für jüdische Siedlungen in den Palästinensergebieten, die Aufhebung der israelischen Blockaden und die
Wiederaufnahme von israelisch-palästinensischen Verhandlungen über einen definitiven Friedensvertrag vor.
Die israelische Armee war am Montag neuerlich in Autonomiegebiete im Westjordanland vorgestoßen. Bei der Militäroperation wurde eine
palästinensische Polizeistation in Tulkarem zerstört, über ein Dutzend Palästinenser wurden verletzt, von denen einer wenig später starb. Der
israelische Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer hatte die Truppen ermächtigt, nach eigenem Gutdünken in palästinensisches Gebiet
vorzudringen, wenn sie unter Beschuss militanter Palästinenser gerieten. In der Nacht auf Dienstag wurde bei der Siedlung Itamar im
Westjordanland ein jüdischer Siedler erschossen.
In der vergangenen Woche war das israelische Militär mehrmals in Autonomiegebiete im Gaza-Streifen vorgedrungen und hatte Teile eines
Flüchtlingslagers zerstört. Auf das erstmalige Eindringen israelischer Armee-Einheiten in palästinensisches Selbstverwaltungsgebiet hatte die
US-Regierung im April scharf reagiert; die israelischen Truppen waren daraufhin umgehend zurückgezogen worden.
Der Leiter der internationalen Kommission zur Untersuchung der Gewaltursachen, der ehemalige US-Senator George Mitchell, forderte die
US-Regierung auf, sich aktiv für einen Friedensschluss in Nahost einzusetzen. Es werde im Nahen Osten keinen dauerhaften Frieden ohne
amerikanische Beteiligung und Unterstützung geben.
Ägyptens Staatspräsident Hosni Mubarak warnte, das Andauern der Gewalt könnte den ganzen Nahen Osten in ein Pulverfass verwandeln.
Die Lage sei "sehr ernst und gefährlich", sagte Mubarak in einem von der kuwaitischen Zeitung "Al Siassa" veröffentlichten Interview, das von
allen wichtigen ägyptischen Medien aufgegriffen wurde. "Die Vereinigten Staaten und Europa sind nun aufgerufen, eine aktivere Rolle zu
spielen", sagte der Präsident. Er lehne es ab, die Palästinenser unter Druck zu setzen, damit sie sich auf "unfaire Zugeständnisse" einließen.
Präsident Yasser Arafat wäre angesichts des derzeitigen israelischen Vorgehens momentan gar nicht in der Lage, die Intifada zu stoppen.
Sollte Arafat stürzen, sei zudem mit einer Welle des Terrors auch im Ausland zu rechnen.
Ägypten und Jordanien werden nach palästinensischen Angaben sowohl von der UNO als auch von der EU in dem Bemühen unterstützt,
einen neuen Nahost-Gipfel im ägyptischen Badeort Sharm el Sheikh herbeizuführen. Man warte jetzt auf die Reaktion der USA, teilte der
palästinensische Chefunterhändler und Minister für Kommunalverwaltung, Saeb Erekat, mit. (APA/Reuters/AP/dpa)