Welt
Zieht sich erst jeder auf seine eigene virtuelle Insel zurück ...
Philiosoph Peter Sloterdijk warnt vor der "Hyper-Robinsonade" durch die Neuen Medien
Duisburg - Der nicht zuletzt wegen seiner Thesen zur Gen- und Biotechnologie auch außerhalb der Fachwelt bekannt gewordene Philosoph Peter Sloterdijk hat vor
einer "Hyper-Robinsonade" infolge der neuen Medien gewarnt. Der Zug zu individualistischen Lebens- und Denkformen auf breiter
Massenbasis habe durch die Medientechnologie der letzten Jahre bereits epidemische Ausmaße angenommen, sagte der Wissenschaftler und
Schriftsteller am Samstagabend zur Eröffnung der 25. Duisburger Akzente. Die durchschnittliche Medienausstattung der Wohnungen erlaube
es dem Einzelnen, sich auf einer eigenen virtuellen Insel zu etablieren und Kommunikation von Insel zu Insel zu betreiben, erklärte Sloterdijk.
Für Inselbewohner scheine nichts natürlicher zu sein, als interinsuläre Beziehungen zu pflegen. Folglich sei der eigentliche Titel der modernen
Telekommunikationen "verbundene Isolation", sagte der Rektor der Karlsruher Hochschule für Gestaltung weiter.
Der Rahmen
Bei dem Kulturfestival unter dem Titel "www.wer weiß wohin - Kultur im Wandel" werden in der Ruhrgebietsstadt bis zum 27. Mai rund 90
Ausstellungen, Filme und Theateraufführungen gezeigt. Dazu gibt es zahlreiche Konzerte und Diskussionsveranstaltungen. Das kulturelle
Großereignis dreht sich in diesem Jahr um Bio- und Gentechnologie, um digitale Medien und gesellschaftliche Umbrüche.
Den Ausführungen Sloterdijks zufolge nehmen die Nutzer von Computer und Internet "ausnahmslos mediale Ausstattungen in Anspruch, die
unabhängig vom Inhalt und losgelöst von konkreten Gesinnungen und lokalen Glaubenshaltungen zur Verfügung stehen". Die
Medientechnologien führten außerdem weltweit zu einer Kultur der Ungeduld, die sich vor allem an Aktuellem und Jubiläen orientiere. "Die
Menschen von heute träumen davon, die Geschichte abzuschließen und an ihre Stelle das Versicherungswesen zu setzen", sagte er. Auch
Bildung, Ethik und Moral unterlägen durch die immer schnelleren Medien einer Veränderung. "So wird die Bildung der Zukunftsmenschen vor
allem durch Routinen der Textverarbeitung, das heißt durch Manipulation des Vorgefundenen, durch Eingriff und Umschreiben geprägt sein",
sagte der Schriftsteller.
(APA/dpa)