Alfred Gusenbauer schlägt vor, die europäische Linke solle "gestalten und nicht verhindern" (STANDARD, 5. 5.). Sehr richtig. Sie wird diesbezüglich bald großen Bedarf haben: Die Rezession in den USA scheint unaufhaltsam, auch Europa muss sich auf das Schlimmste gefasst machen. Die rückläufigen Zahlen gehen quer durch alle Branchen. Wir werden demnächst aller Voraussicht nach die erste Weltwirtschaftskrise im Zeitalter der Globalisierung erleben.

Was bedeutet dies? Alle Prozesse werden unvergleichlich schneller ablaufen als bisher. Die neuen Technologien tragen dazu bei: Information ist heute faktisch überall als "real time"-Ware zu erhalten. Was immer sich in einem Unternehmen wo auch immer tut, es wird öffentlich, und zwar sofort. Die Informationspflicht der börsennotierten Unternehmen bedingt Transparenz, das Internet transportiert jede Nachricht ohne Verzögerung.

Erst kürzlich hatte die britische Financial Times in einer klugen Analyse dargelegt, wie sehr vor allem der Technologiesektor immer mehr zum Getriebenen seiner eigenen Segnungen wird: Alle Unternehmensdaten gelangen via Internet sofort in den Kreislauf der Spekulation. Die Ersten, die es dabei erwischt, sind jene Firmen, die sich im Internetgeschäft tummeln.

Aber wen betrifft es denn genau? Bei näherem Hinsehen endet jede Wirtschaftskrise immer beim einfachen Arbeitnehmer, den klassischen "kleinen Leuten". Schon bilden sich - wie etwa bei der am Frankfurter Neuen Markt notierten Berliner Internetfirma Pixelpark - die ersten Betriebsräte. Und der Streik der Lufthansa-Piloten ist einer der massivsten Arbeitskämpfe, die Deutschland je erlebt hat. Er ist effizient, weil die neue Dienstleistungsgewerkschaft verdi eine Reaktion auf die globalen Unternehmenszusammenschlüsse, ein Merger im Dienste der Arbeitnehmer also, ist. Ob das aber alles hilft?

Die Frage, ob sozialdemokratische Politik mehr oder weniger etatistisch sein soll, markiert einen Nebenkriegschauplatz: Die Globalisierung bringt die weltweite Absolutsetzung des Shareholder-Value. Dies führt dazu, dass in Krisenzeiten die Entlassung von Mitarbeitern als das adäquateste Steuerungsmittel angesehen wird. Man beobachte die diversen Gewinnwarnungen. Deren Zweck ist es nicht, schlechte Stimmung zu machen, sondern gute. Im zweiten Absatz fast jeder Meldung ist nämlich zu lesen, dass das betreffende Unternehmen auf die schlechte Ertragslage mit dem Abbau von Mitarbeitern reagieren werde.

Dies ist in Amerika nichts Neues: Seit jeher haben US-Konzerne in Hochzeiten vielen Leuten Arbeit gegeben, wenn es schlecht ging, ging es vielen schlecht. Mit der Globalisierung kommt diese Entwicklung auch nach Europa. Und hier finden wir neue gesellschaftliche Verhältnisse vor: Nach Maastricht sind die Staatshaushalte ausgeglichen zu bilanzieren. Der Staat hat, anders als zu Kreiskys Zeiten, keinen Spielraum mehr zu einer auch nur vorübergehend aktiven Sozialpolitik.

Man kann das so sehen wie Gerhard Schröder, der Deutschland wie eine große Autofirma führt. Aber auf Dauer ist das nicht durchzuhalten: Eine moderne Sozialdemokratie muss die Würde der menschlichen Arbeit wiederherstellen. Sie muss verhindern, dass die Eigendynamik eines Neokapitalismus mit dem Technologie-Turbo ganze Bevölkerungsschichten hinwegfegt. Übersieht sie dies, bleibt ihr am Ende nichts als Ohnmacht und Klage. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 7. 5. 2001)