London/Belfast - Zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen ist in der Nacht zum Sonntag auf eine Londoner Poststelle ein Bombenanschlag verübt worden. Dabei wurde ein Mensch verletzt. Die Polizei macht die irische Untergrundorganisation "Wahre IRA" für den Anschlag verantwortlich. Die Tat steht möglicherweise in Zusammenhang mit dem Todestag des IRA-Aktivisten Bobby Sands, der sich am Samstag zum 20. Mal jährte. Sands war 1981 im berüchtigten nordirischen Maze-Gefängnis an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben. Die IRA-Führung betrachtet den Hungerstreik seitdem als wichtigen Markstein im Kampf um die Loslösung Nordirlands von Großbritannien. Wie die Polizei mitteilte, habe es weder eine Bombendrohung gegeben, noch habe sich jemand bisher zu dem Anschlag bekannt, wenngleich Verdachtsmomente existierten. Die Explosion ereignete sich gegen 4.00 Uhr (MESZ). Der Chef der Anti-Terror-Abteilung von Scotland Yard, Alan Fry, sagte, rund 250 Gramm Sprengstoff seien für die Explosion benutzt worden; genug, um Menschen ernsthaft zu verletzen oder gar zu töten. Die Briefsortierstelle im Londoner Stadtteil Hendon war bereits am 15. April Ziel eines Sprengstoffanschlags gewesen. In den vergangenen sechs Wochen wurden in London drei Bombenanschläge verübt, die der Wahren IRA zugeschrieben werden. Die Gruppe hatte sich 1997 von der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) abgespalten; sie lehnt den Friedensprozess mit London ab und will nach eigenen Angaben weiter für die Angliederung Nordirlands zur Republik Irland weiterkämpfen. Scotland Yard befürchtet Anschlagserie Britische Anti-Terror-Experten prüfen nun, ob es Hinweise für eine verstärkte Aktivitität irischer Extremisten im Vorfeld der britischen Parlamentswahlen gibt, sagte Fry. Vor den Wahlen von 1992 und 1997 sei es auch vermehrt zu Anschlägen gekommen. Man werde aber alles tun, um die Bevölkerung und die an der Wahl Beteiligten zu schützen. Es wird erwartet, dass Premierminister Tony Blair am Montag den Wahltermin bekannt gibt. Wegen der im Land grassierenden Maul- und Klauenseuche hatte Blair die ursprünglich für den 3. Mai geplante Parlamentswahl verschoben. Als wahrscheinlicher Termin gilt nun der 7. Juni. Der protestantische Oranier-Orden macht unterdessen gegen ein Paradeverbot durch ein katholisches Viertel im nordirischen Ort Portadown mobil. Am Samstag protestierten Mitglieder der Organisation gegen das Verbot ihrer gewünschten Route für den traditionellen Marsch am 12. Juli und warfen der britischen Regierung vor, sie toleriere "kulturelle Apartheid". Sie begannen ihren Protest mit einem Schweigemarsch durch die weitgehend von Protestanten bewohnte Stadt südwestlich von Belfast. Die nordirische Paradenkommission verbietet dem Oranier-Orden seit 1998 den Marsch durch die Garvaghy Road, in der hauptsächlich Katholiken wohnen. In den vergangenen Jahren war es deshalb wiederholt zu gewaltsamen Protesten gekommen. Ein Sprecher der Katholiken begrüßte das Verbot. Damit werde das Potenzial für Auseinandersetzungen vermindert, sagte Breandan MacCionnaith. Er kritisierte die Protestanten dafür, dass sie kein direktes Gespräch mit den Anwohnern suchten. Die Protestkundgebung vom Samstag war ursprünglich schon für März geplant gewesen, war jedoch wegen der Maul- und Klauenseuche verschoben worden. (APA/AP/Reuters)