Die Landjugend geht überall auf diesem Planeten ihren
Ritualen nach. Das muss so sein. Von der Bierzeltrauferei im
Gösser-Nirwana der Obersteiermark bis zum Fjordeköpfeln im
Wodka-Rausch in Norwegen. Hallamasch allerorts! In
Amerika, einem für seine vielfältige Folklore bekannten Land,
sind derartige Rituale wie überall sonst an die Gegebenheiten
und Möglichkeiten der jeweiligen Umgebung gebunden. Das
Auto als bereits mit 16 Jahren erhältliches Statussymbol
nimmt dabei gerade bei der sich in hoffnungslosen
hormonellen Irritationszuständen befindlichen männlichen
Jugend einen besonderen Platz ein: Von "No man with a good
car needs to be justified" (Flannery O'Connor) über "Backseat
Education" (Zodiac Mindwarp) bis zu "Let's take some drugs
and drive around" (Michael Hall) reicht das identitätsstiftende
Spektrum rund um die Karre. Nicht nur im Süden der USA
sorgen deshalb am Wochenende Zusammentreffen von
Hobbymechanikern für viel Freude, wenn diese ihre Boliden
unter Verbrennung von viel Gummi und ehrgeizig betriebener
Ozonlocherweiterung mittels Spezialgemischs im Tank über
eine Viertelmeile schwarzen Asphalt jagen. Ein schlichtes
Vergnügen zwar, aber sehr super.
Zu einer interessanten Spazierfahrt durch diese hübsche
Freizeitkultur lud die US-Band Clutch auf ihrem Debüt
Transnational Speedway League: Anthems, Anecdotes And
Undenieable Truths aus 1993. Einem brachialen und in jedem
Moment ungut präzisem Metal-Meisterwerk, das in seinem
Fach als eines der besten Alben des letzten Jahrzehnts gelten
muss. Latent gewaltbereit brüllte darauf Neil Fallon mit seinen
damals geschätzten 65 Kilo Fliegengewicht Zärtlichkeiten in
die Welt: "Come on motherfucker let's go! I make you wish
that you've never been born! Come on motherfucker let's
go!" Eine Faustwatsche mit Anlauf! Das namenlose
Folge-Album aus 1995 darf man ebenfalls noch als
Meilenstein bezeichnen, dann wurde Clutch mau.
Im Vorjahr meldete sich das Quartett mit dem bösartigen
Minialbum Jam Room in alter Form zurück und legt nun mit
Pure Rock Fury ein gleichwertiges Album nach. Fallon -
mittlerweile um gut zwanzig Kilo stattlicher - röhrt sich in
bester Hardrock-Manier durch seine Songs: zwischen Grundel-
und einer sich nach oben schraubenden Whiskeystimme.
Knochentrockene Gitarrenriffs und ein wuchtiges Schlagzeug
verleihen einer extrem präsenten Produktion die Wucht einer
Abrissbirne. In jedem Stück. Tim Sult, Verantwortlicher der
"Guitar World" wie das bei Clutch heißt, verzichtet weitgehend
auf Soli, sondern verlässt sich auf die Wirkung seiner sich
wiederholenden Riffs. Einzig der Umstand, dass Clutch dieses
Mal auf wirklich langsame Nummern verzichten, schmerzt
etwas. Denn auf ihren bisherigen Alben etablierten sich
gerade diese in übel gelaunter Zähigkeit vor sich
hinmalenden Songs, die von kontrollierten Sprengungen
aufgebrochen wurden, als absolute Highlights.
Clutch beweisen jedenfalls wieder, dass sie, eine Jesusfigur
am Armaturenbrett des Zwölfzylinders, die ungeschlagenen
Meister auf jeder sinnlosen Viertelmeile dieses Planeten sind:
Come on motherfucker let's go!
Clutch - Pure Rock Fury (Warner)
(DER STANDARD-RONDO, Print-Ausgabe 4. 5. 2001)