Der unheiligen Allianz von Schwarz und Blau hat es Justizminister Dieter Böhmdorfer zu verdanken, dass er in diesen Tagen sowohl mit Wladimir Putin als auch mit Klemens Wenzel Metternich verglichen wird - ein Ruhm, von dem er als juristischer Biedermann und freundschaftlicher Handinsfeuerleger wohl niemals zu träumen gewagt hat. Er ist nicht zur Gänze verdient - und fällt doch auf keinen Unschuldigen.

Auch Böhmdorfers Vorvorgänger im Amt, Nikolaus Michalek, auf den er nun seine Ministerverantwortlichkeit abschieben möchte, wäre mit den umstrittenen Paragraphen einer zu erneuernden Strafprozessordnung kaum als großer Justizreformer in die Geschichte des Landes eingegangen. Er musste freilich auch nicht mit dem vorauseilenden Misstrauen fertig werden, das sich Böhmdorfer als anwaltlicher Begleiter eines Prozessjörgls in vielen Jahren redlich erworben hat. Das Misstrauen, dass er nun erntet, hat er bis zu seinem Amtsantritt und darüber hinaus säen geholfen.

Wenn die Kritik vor drei Jahren ausgeblieben ist und nun so heftig ausfällt, trifft sie doch nicht den Falschen, es wäre allerdings ungerecht, sie nur auf die Person Böhmdorfers zu fokussieren und diejenigen zu verschonen, die an dieser verspäteten Reaktion mit schuld sind. Das sind jene, die ihn teils aus Personalnot, teils justament zum Justizminister berufen haben, obwohl die nun auftretenden Probleme vorauszusehen waren, es sind jene, die diese Berufung verkniffen schweigend mit angesehen haben, nun wider besseres Wissen versichern, es sei ohnehin alles bestens, und verharmlosend behaupten, es gehe ausschließlich um den Schutz unbeteiligter Dritter - um den Schutz des kleinen Mannes.

Der kleine Mann hätte sich wohl nicht gedacht, dass er sich unter dieser glorreichen Regierung noch zu einer juristischen Kategorie mausern würde. Nicht einmal die wildesten Enthüllungsjournalisten dieses Landes hatten ja eine Ahnung davon, welche Bedrohung sie für ihn darstellen. Kein Wunder, dass sie von der Entschlossenheit der Koalition, den kleinen Mann vor ihnen zu schützen, wie vor den Kopf geschlagen sind. Vielleicht ist das eine Art Wiedergutmachung, schließlich spürt gerade der kleine Mann schmerzlich, dass er die Kosten des schwarz-blauen Experiments voll zu tragen hat - vom Autobahnpickerl über die Ambulanzgebühr bis zur Unfallrentenbesteuerung. Nachdem der Versuch, ihn im Wiener Wahlkampf dafür mit einer Prise Antisemitismus zu entschädigen, fehlgeschlagen ist, soll er nun wenigstens vor den Journalisten geschützt werden, ohne dass es extra kostet.

Dafür gibt es zwar schon das Mediengesetz, aber man kann für den kleinen Mann gar nicht genug tun. Wie, das stellte ÖVP-Klubobmann Andreas Khol so einfühlsam dar: Es gehe um Schutz, "wenn jemand bei einer Polizeiaktion mit seiner Freundin erwischt wird". Da hat er den Nagel auf den Kopf getroffen, das ist ganz dringend, schließlich sind die Medien voll von Berichten über kleine Männer und völlig unbeteiligte Dritte, die bei Polizeiaktionen mit ihren Freundinnen erwischt werden. Wenn es dann zu einem Vorverfahren kommt und der Journalist zitiert aus den Akten über diesen aufwühlenden Vorfall, dann soll er seiner Strafe nicht entgehen.

Die Vorstellung, es könnte in einem Vorverfahren um mehr als ein schutzwürdiges Techtelmechtel gehen, etwa um das schutzwürdige Interesse der demokratischen Öffentlichkeit, ist Böhmdorfer und Khol offenbar völlig fremd. Journalisten, die die Phantasie selbsternannter Schutzherren des kleinen Mannes frech überfordern, gehören bestraft. Putin und Metternich würden das nicht anders sehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.5.2001)