Wien - Ein tristes Bild der Menschenrechtslage in Guatemala hat der Ex-Ermittler im Mordfall an Bischof Juan Gerardi, Celvin Galindo, anlässlich eines Wien-Aufenthalts gezeichnet. Bei der Erfüllung der Friedensverträge komme die Regierung unter dem rechtsextremen Präsidenten Alfonso Portillo kaum voran, die Justiz sei geschwächt, die Medien harter Zensur unterworfen, und Menschenrechtsaktivisten würden verfolgt, sagte der Ex-Staatsanwalt am Donnerstag. Galindo sprach von einem "Rückschritt auf die Situation der 80er Jahre" und einer "schweren Krise" in seiner Heimat. Auch die geplante Rückführung der Flüchtlinge, die im Zuge der Friedensvereinbarungen mit der Guerilla geplant war, sei ein Schlag ins Wasser. Zwar sei eine Gruppe aus dem mexikanischen Exil heimgekehrt, doch ein Teil davon sei wieder nach Mexiko zurückgegangen, erzählte der Jurist. Der am Friedensprozess beteiligten Guerilla URNG (Guatemaltekische Nationale Revolutionäre Einheit) sei eine Transformation in eine politische Partei nicht gelungen. "Es besteht kein politischer Wille" Im Fall des vor drei Jahren ermordeten Weihbischofs Gerardi zeige Präsident Portillo kein Interesse an einer Aufklärung. Der Ex-Staatsanwalt: "Es besteht kein politischer Wille." Die nach seinen damaligen Ermittlungen schuldigen guatemaltekischen Militärs würden geschützt und in jedem Fall würde ein Prozess mit "Straflosigkeit" enden: Freisprüchen mangels an Beweisen. 85 Zeugen seien bereits befragt worden, ein Teil davon war eindeutig "gekauft", so Galindo. Der guatemaltekische Staatsanwalt hatte den Fall Gerardi zehn Monate nach dem Mord übernommen, weil sein Vorgänger augenscheinlich in eine falsche Richtung ermittelt hatte und auf Grund der öffentlichen Kritik aufgab. Bischof Gerardi war am 26. April 1998 brutal erschlagen worden, zwei Tage, nachdem er den Bericht der kirchlichen Wahrheitskommission (REMHI) präsentiert hatte. Darin wurden die Armee und paramilitärische Gruppen für rund 150.000 Morde und 50.000 Verschwundene in den 36 Bürgerkriegsjahren verantwortlich gemacht. "Im August 1999 hatte ich ein vollständiges Bild" Galindo fand rasch heraus, dass auch der Mord an Gerardi auf das Konto von Militärs ging. In bewusster Irreführung war der Priester Mario Orantes festgenommen worden, er verbrachte acht Monate in Haft. Unterlagen waren unterschlagen oder manipuliert worden. Augenzeugen, die aussagten, ein Auto mit Militärkennzeichen am Tatort gesehen zu haben, mussten wegen Todesdrohungen flüchten. In den USA durchgeführte DNA-Analysen deuteten klar auf drei verdächtige Armeeangehörige. "Im August 1999 hatte ich ein vollständiges Bild", so Galindo. Doch inzwischen geriet der Sonderstaatsanwalt selbst in Gefahr. Befragungen "von oben", begannen, seine Telefone wurden abgehört. Eines Tages "umkreisten fünf Militärs mein Haus", und auf seinem Bett fand er einen Blumenkranz, wie er Toten auf das Grab gelegt wird. Die Warnung war unmissverständlich; er musste um sein Leben und das seiner Familie - Frau und drei Kinder - fürchten. In aller Stille organisierten in Guatemala stationierte UNO-Mitarbeiter und die deutsche Friedrich-Ebert-Stiftung Galindos Flucht ins Ausland. "Meine Familie erfuhr erst fünf Minuten vor dem Abflug, was los war." Kein Ausflug, sondern Flucht. "Es war sehr hart für sie." Die erste Etappe war Freiburg im Breisgau. Jetzt lebt die Familie Galindo in Barcelona. Und der Fall Gerardi? Der Bischofsmord sei wieder von Anfang an aufgerollt worden, der Priester Orantes wieder im Visier der Justiz. Und der kirchliche REMHI-Bericht, der die schweren Menschenrechtsverstöße auflistete, sei ohne jegliche Konsequenzen geblieben, so Galindos bittere Bilanz. (APA)