Washington rätselt über die Frage, ob US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gleichsam im Alleingang die militärischen Beziehungen zu China abbrechen wollte oder ob seine Absichten von einem Mitarbeiter "missverstanden" wurden. Am Mittwoch war der Inhalt eines internen Memorandums bekannt geworden, in dem alle Mitarbeiter des Pentagons die Anweisung erhielten, "alle Programme und Kontakte" mit chinesischen militärischen Institutionen "bis auf weiteres" zu suspendieren.

Nur wenige Stunden später - angeblich auf Weisung des Weißen Hauses - kam der peinliche Rückzieher: Rumsfeld habe lediglich die (ohnehin dürftigen) Beziehungen zwischen den beiden Streitkräften prüfen wollen. Es habe sich um eine aus Versehen getätigte Fehlinterpretation von Christopher Williams, einem Mitarbeiter des Verteidigungsministers, gehandelt. Tatsächlich wolle Rumsfeld nur die gegenseitigen sporadische Höflichkeitsbesuche von Kriegsschiffen oder hohem Militärpersonal zum Gedankenaustausch ab dato nicht mehr für ein ganzes Jahr im voraus genehmigt sehen, sondern "von Fall zu Fall" prüfen.

Skeptische Reaktion

Insider sehen diese "Überprüfung" als weitere Verschlechterung und "Downgrading", eine niedrigere Einstufung der bereits strapazierten Beziehungen zwischen den USA und China an. Die ursprüngliche und dann zurückgezogene Direktive schien auch gut in das Bild zu passen, das Präsident George W. Bush erst am Vortag skizziert hatte: In seiner Rede über den Aufbau eines Raketenabwehrsystems (NMD) war China als möglicher Gesprächspartner für Konsultationen gar nicht erst genannt worden.

Die Reaktion der Demokraten auf das neue Rüstungskonzept des Präsidenten war, wie zu erwarten, skeptisch: Sie argumentieren, dass es an der Technologie und den notwendigen Geldmitteln mangle. Der ranghöchste Demokrat im Repräsentantenhaus, Dick Gephardt, meinte jedenfalls, dass die Demokraten, sollten entsprechende Budgetvorschläge tatsächlich vor den Kongress kommen, alles daran setzen werden, das Raketenabwehrsystem auf Herz und Nieren zu überprüfen. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 4. 5. 2001)