Wien - Ursprünglich sollte die Substanz Sibutramin ein Antidepressivum werden. Doch sie wirkte nicht stark genug. Da stellte sich heraus, dass Behandelte zum Abnehmen neigten. - Seit wenigen Tagen gibt es auch in Österreich das Arzneimittel, das vom Psycho-Medikament zur Hilfe für Fettsüchtige und Menschen mit Heißhungerattacken "mutierte". "Wie ein Naturgesetz: Wir werden immer dicker. Das ist ein politisches Phänomen. Das ist ein soziales Phänomen", erklärte am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien Univ.-Prof. Dr. Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Universität Wien. Mittlerweile gibt es deutliche Hinweise, dass in Österreich zwischen elf und 16 Prozent der Erwachsenen schwer übergewichtig (fettsüchtig) sind - "Waage-Tendenz" zunehmend! Nach der Substanz Orlistat ("Xenical"), welche die Aufnahme von Fett aus dem Darm um ein Drittel verringert, steht jetzt auch in Österreich der Wirkstoff Sibutramin ("Reductil") zur zusätzlichen medikamentösen Behandlung von schwerem Übergewicht zur Verfügung. Das Arzneimittel hemmt im Gehirn die Wiederaufnahme der Nerven-Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin aus dem "Spalt" zwischen Nervenzellen. Haupteffekt der neuen Substanz Dieses Prinzip steckt hinter den meisten modernen Antidepressiva. Aus nicht ganz geklärtem Grund liegt der Haupteffekt der neuen Substanz aber in der schnelleren Verursachung eines Sättigungsgefühls beim Essen und in der Dämpfung von Heißhungerattacken (Binge Eating). Die Hauptresultate von klinischen Studien: Bei zusätzlicher Therapie mit Sibutramin - kombiniert mit Ernährungs- und Bewegungsprogrammen - erreichten drei bis fünf Mal mehr fettsüchtige Testpersonen ihr Zielgewicht. Sie behielten es auch länger. Mehr als 90 Prozent nahmen mindestens fünf Prozent des Ausgangsgewichts ab. 60 Prozent verloren sogar mehr als zehn Prozent ihres ursprünglichen Körpergewichts. Vorteile Eine solche Gewichtsreduktion bringt große gesundheitliche Vorteile. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik, Präsident der Österreichischen Adipositas Gesellschaft : "Fünf bis zehn Prozent Gewichtsabnahme senken das Sterberisiko in Folge von Herz-Kreislauferkrankungen um neun Prozent, die Gesamtmortalität um 20 Prozent, die Sterblichkeit durch Krebs um 37 Prozent und jene durch Diabetes um 44 Prozent." Das Arzneimittel hat kaum Nebenwirkungen, ist aber nur per privater Bezahlung erhältlich. Es steht speziell ab einem Body-Mass-Index von mehr als 30 (BMI: Körpergewicht in Kilogramm durch Körpergröße in Meter zum Quadrat) in medikamentösen Behandlung der Fettsucht durch den Arzt (Rezeptpflicht) zur Verfügung. Zusätzlich gibt es Beratungsprogramme. (APA)