Kosovo
Mazedonische Polizei ließ Plünderungen zu
Neue Übergriffe gegen Albaner
Bitola/Graz - Nach Berichten von Mitarbeitern deutscher und niederländischer Hilfsorganisationen in Mazedonien ist es auch in
der Nacht auf Mittwoch im Zentrum von Bitola, der zweitgrößten Stadt des Landes, zu massiven Plünderungen albanischer Cafés
und Geschäfte durch junge Mazedonier gekommen. "Ich bin mir vorgekommen wie in der Reichskristallnacht", erzählte die
Berlinerin Astrid Krebs von der Hilforganisation "Amica" dem STANDARD.
Die Frau hatte gemeinsam mit niederländischen Kollegen beobachtet, wie junge Männer, unter ihnen viele Roma, unter lauter
Straßenmusik systematisch Waren aus den albanischen Geschäften davontrugen und zerstörten. Betroffen waren besonders
Eissalons und Konditoreien, wie Albaner sie traditionell betreiben. "Wir hatten erst den Eindruck, es finde eine Feier statt", sagte
Krebs. Albaner seien nicht zu sehen gewesen. Die Polizei, die in einer Seitenstraße einen Posten unterhielt, schritt nicht ein.
Anlass für die ersten massiven Ausschreitungen gegen Albaner seit Beginn der Krise im Februar war das Begräbnis von vier
Polizisten, das am Vortag in Bitola stattgefunden hatte und bei dem nach Angaben aus westlichen Militärkreisen der orthodoxe
Erzbischof zur "Vergeltung" aufgerufen haben soll. Die vier Polizisten waren am Samstag gemeinsam mit vier Kollegen aus
anderen Teilen Mazedoniens nahe Tetovo von albanischen U¸CK-Freischärlern aus dem Hinterhalt erschossen worden. Bitola ist
fast ausschließlich mazedonisch; der albanische Bevölkerungsanteil liegt bei wenig mehr als einem Prozent.
Die antialbanischen Krawalle in Bitola haben zu Differenzen innerhalb der mazedonischen Koalitionsregierung geführt. Auch in der
Hauptstadt Skopje kam es zu Zwischenfällen mit einem Todesopfer; die albanische Botschaft wurde in der Nacht beschossen.
Regierung gespalten
Die Regierung in Skopje reagierte gespalten auf die Zusammenstöße. Die rechtsnationalistische VMRO-DPMNE ("Innere
Mazedonische Revolutionäre Organisation - Demokratische Partei für die Nationale Einheit") von Ministerpräsident Ljubco
Georgievski sprach von "unliebsamen Ereignissen". Die "Extremisten und Terroristen" hätten ihr Ziel erreicht und die Bürger zu
Exzessen und Taten veranlasst, die zum Bürgerkrieg führen könnten.
Der Koalitionspartner, die Demokratenpartei der Albaner (DPA) von Arben Xhaferi, verurteilte die "offensichtlichen Anzeichen einer
extremen ethnischen Intoleranz" als alarmierend. Auch die DPA erinnerten die Vorfälle unweigerlich "an die ,Kristallnacht' des
Jahres 1938 in Deutschland, wo in gleicher Weise Häuser von Juden demoliert und niedergebrannt wurden", wurde verlautet. (Der Standard, Print-Ausgabe, 3. 5. 2001)