Österreich
Laute Kritik an heimischer Lebensmittelagentur
Kontrolleinrichtung nach US-Vorbild sündteuer und aufgebläht
Wien - Die Sau und ihre Schnitzerln sollen künftig super sicher sein, lückenlos durchgecheckt vom Stall bis auf den Teller.
Kommenden Freitag endet jedenfalls die Begutachtungsfrist für den Entwurf eines Ernährungssicherheitsgesetzes, mit dem nach
Meinung der Regierung dieses Ziel erreicht werden soll. Werde es nie und nimmer, kontern Opposition und Arbeiterkammer, die
dabei vor allem eines kritisieren: die geplante Schaffung einer Lebensmittelagentur.
Innerhalb der EU wird die Errichtung einer solchen Behörde nach Vorbild der US-amerikanischen FDA (siehe nebenstehenden
Bericht) schon seit Jahren diskutiert. Herausgekommen ist noch nichts. Die Staats- und Regierungschefs haben zwar
beschlossen, dass die Agentur Anfang 2002 ihre Arbeit aufnehmen soll, noch heute wird aber um den Standort gestritten. Helsinki,
Parma, Barcelona oder Lille. Wo auch immer soll die EU-Lebensmittelagentur ein Startkapital von 550 Millionen Schilling oder 40
Millionen Euro erhalten.
Für die rein österreichische Agenturvariante sind 850 Millionen Schilling oder 62 Millionen Euro jährlich budgetiert. Was, wie
berichtet, selbst Finanzminister Karl-Heinz Grasser ein wenig viel erschien. Mit seiner vorläufigen Zahlungsverweigerung verzögert
sich nun die Installierung der Agentur.
Für diese, so der Entwurf, ist die Zusammenfassung der Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung, für veterinärmedizinische
Untersuchungen, des Bundesamts für Landwirtschaft und der Bundesanstalt für Milchwirtschaft vorgesehen. Auch Teile des
Umweltbundesamts sollen in die Agentur eingegliedert werden. Geführt werden soll sie von zwei Geschäftsführern, denen ein
sechsköpfiger Aufsichtsrat sowie ein wissenschaftlicher Rat für Ernährungssicherheit mit 16 Mitgliedern und auch dessen ständige
Ausschüsse zur Seite stehen sollen.
"Am Grundproblem der mangelnden Kontrolle und des Kompetenzchaos ändert dieser Entwurf wenig", kritisierte
SP-Umweltsprecherin Ulli Sima im Gespräch mit dem STANDARD. Denn nach wie vor sei zwar der Gesundheitsminister nominell für
die Veterinärkontrolle zuständig, de facto werde die Kontrolle aber über die mittelbare Bundesverwaltung an die Agrarlandesräte
abgegeben.
Eine zentrale Forderung nach dem Auffliegen des heimischen Schweinedoping-Skandals sei auch die klare Trennung zwischen
landwirtschaftlicher Produktion und deren Kontrolle gewesen. Doch mit der Agentur passiere das genaue Gegenteil: "Es kommt zu
einer Fusion von Produktion und Kontrolle."
Zusätzliche Kompetenzen
Im Gesetzesentwurf sei auch geplant, die Teile des Umweltbundesamtes, die sich mit der Kontrolle im Lebensmittel- und
Landwirtschaftsbereich befassen, in die Agentur einzugliedern. "Damit wird eine kritische und gut funktionierende
Umweltkontrollstelle in Österreich schwer beeinträchtigt."
Die Arbeiterkammer fordert die Einrichtung eines "lebensmittelpolitischen Weisenrates". Dieser solle, wie berichtet, die Politik
beim Thema Lebensmittelsicherheit beraten, Schwerpunktaktionen zur Kontrolle vorschlagen und Doppelgleisigkeiten in der
Überwachung beseitigen. Neben Konsumentenschützern sollen darin Lebensmittelaufsicht und Untersuchungsanstalten vertreten
sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 5. 2001, fei)