Berlin - Nach den teilweise gewaltsamen Demonstrationen im Stadtteil Kreuzberg ist in Berlin ein heftiger Streit um das von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) verhängte Demonstrationsverbot und die Polizeistrategie ausgebrochen. SPD-Landeschef Peter Strieder warf Werthebach und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky am Mittwoch vor, sie hätten die Krawalle herbeigeredet. Es sei ein politischer Fehler gewesen, die Demonstration von Linksautonomen zu verbieten, den Aufmarsch der rechtsextremen NPD-Anhänger am selben Tag aber zu erlauben. Auch nach Meinung der Grünen ist das Konzept des Innensenators gescheitert. Das Demonstrationsverbot habe nicht zur Vermeidung von gewalttätigen Auseinandersetzungen beigetragen. Werthebach verteidigte dagegen sein Vorgehen mit dem Argument, er werde rechtsfreie Räume nicht dulden. Ausschreitungen Bei den Krawallen am Abend des Maifeiertages waren nach einer vorläufigen Bilanz der Polizei 616 Menschen festgenommen worden. 166 Polizisten wurden verletzt, wie der Berliner Polizeipräsident Hagen Saberschinsky mitteilte. Unter den Demonstranten gab es den Angaben zufolge mindestens 14 bis 15 Verletzte, wie Werthebach sagte. Ingesamt waren 9.000 Beamte im Einsatz. Nach einem Straßenfest hatten vorwiegend junge Leute in Kreuzberg Autos in Brand gesetzt und Polizisten mit Pflastersteinen beworfen. Die Beamten gingen mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. Nach Ansicht Saberschinskys bewährte sich das "polizeiliche Konzept", da konsequent gegen die Störer vorgegangen worden sei. Die "Revolutionäre 1.Mai-Demo" am Abend war von der Innenverwaltung verboten worden, da es in den vergangenen 14 Jahren regelmäßig zu Ausschreitungen gekommen war. Werthebach verbot auch eine Demo der rechtsextremen NPD; dieses Verbot wurde aber gerichtlich aufgehoben und der Aufmarsch unter Auflagen genehmigt. SPD-Kritik an Koalitionspartner CDU Die SPD, die zusammen mit der CDU in der Hauptstadt regiert, bekräftigte ihre Kritik an dem Vorgehen des Innensenators. SPD-Landeschef Strieder warf Werthebach und Saberschinsky im Inforadio vor, beide hätten im Vorfeld von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gesprochen, dass diese dann auch irgendwann hätten eintreten müssen. Der Innenexperte der SPD-Fraktion im Bundestag, Dieter Wiefelspütz, lehnte eine Verschärfung des Versammlungsrechts erneut ab. "Menschen, die Barrikaden errichten und Gewalttaten verüben, nehmen nicht das Versammlungsrecht in Anspruch", sagte der SPD-Politiker. Die Grünen-Landesvorsitzenden Regina Michalik und Till Heyer-Stuffer kritisierten, das Demo-Verbot habe "den wenigen Anwesenden, die traditionsgemäß Krawall suchen, noch den entscheidenden Kick gegeben". Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, ist der Versuch des Innensenators gescheitert, mit den Ereignissen am 1. Mai in Berlin "die von ihm seit langem betriebene Verschärfung des Versammlungsrechts zu betreiben". Kritik an Werthebach kam auch von der Gewerkschaft der Polizei. Ihr Vorsitzender Konrad Freiberg kritisierte, dass der Innensenator sich nicht gescheut habe, mehrere tausend Einsatzkräfte aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin einzufordern, gleichzeitig aber "einem rigorosem Personalabbau bei der eigenen Polizei das Wort rede". (APA/AP)