Wien - Bei wolkenlosem Himmel und fast sommerlichen Temperaturen hat die SPÖ ihre traditionelle Kundgebung zum "Tag der Arbeit" auf dem Wiener Rathausplatz abgehalten. Für Hochstimmung unter den Sozialdemokraten sorgte nicht nur das Wetter, sondern auch das Wahlergebnis bei der Gemeinderatswahl vom 25. März, bei der die SPÖ die absolute Mandatsmehrheit erreicht hat. Der Wiener SP-Chef und Bürgermeister Michael Häupl sprach von einem "unglaublichen Vertrauen" der Wähler - und kritisierte einmal mehr den Auftritt Jörg Haiders (F) im Wahlkampf. Rund 100.000 Menschen sind im Lauf des Vormittages mit den SPÖ-Bezirksorganisationen zum Rathausplatz gezogen - ausgerüstet mit den ebenfalls traditionellen roten Fahnen, Nelken und Luftballons. Doch es gab auch wieder zahlreiche Transparente, denen häufig Kritik an der blau-schwarzen Bundesregierung zu entnehmen war. "Wir pfeifen auf Proporz in Blau-Schwarz" oder "Wir wissen ganz genau, die Ambulanzgebühren sind eine Idee von Schwarz-Blau" war da etwa zu lesen. Wien als "wunderbare internationale, weltoffene" Stadt Der Wiener Wahlsieg wurde noch einmal ausgiebig gefeiert. Michael Häupl versicherte den Besuchern: "Wien, Europa, Österreich, die Welt sind euch dankbar für diese Entscheidung am 25. März." Es sei "einer aus dem Süden gekommen", der gemeint habe, er müsse die Wiener belehren, was denn nun das Richtige sei. Der Kärntner Landeshauptmann Haider habe erklärt, was im Bereich Arbeitsmarkt und Wirtschaftspolitik getan werden müsse. "Sein Companero, der unweit hier sitzt, der führt uns das gerade vor", nahm Häupl auch die Bundesregierung und Kanzler Wolfgang Schüssel (V) ins Visier. Häupl weiter: "Wo sich die Sozialdemokraten bemüht haben, Ordnung in den Arbeitsmarkt zu bringen, bringt man jetzt wieder Unordnung hinein." Jörg Haider habe zudem verlangt, dass die "Tore der Stadt" zugesperrt werden und Wien keine "so wunderbare internationale, weltoffene" Stadt mehr sein soll. "Wien schaut in die Zukunft" Haider habe Töne in den Wahlkampf gebracht, "die man einfach nur als rassistisch und antisemitisch bezeichnen kann". Die Wiener, so Häupl, hätten jedoch gesagt: "Lieber Herr aus dem Süden, geh zurück in dein wunderbares österreichisches Bundesland und lass dich dort abwählen!" Die Bevölkerung habe mit dem Stimmzettel kundgetan, dass Wien eine Stadt ist, in der sich die, die hier miteinander leben, wohl fühlen und dass Wien in die Zukunft schaue, befand der Bürgermeister. Solle der soziale Zusammenhalt in Österreich gewährleistet werden, dann müsse die Bundesregierung daran gehindert werden, "weiterhin Österreich in den Abgrund zu führen", setzte Häupl fort. Die Wiener SPÖ wird nach Angaben ihres Vorsitzenden alles tun, um die Gesamtorganisation zu unterstützen - "damit der nächste Bundeskanzler Alfred Gusenbauer heißt". Für den Chef der Bundes-SP war diese - von tosendem Applaus begleitete - Ansage zugleich das Stichwort für seinen Auftritt. "Wahltag war ein deutliches Zeichen" SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bedankte sich in seiner Rede bei den Genossen aus Wien: "Der Wahltag war ein deutliches Zeichen gegen den schwarz-blauen Spar- und Schröpfkurs, der über unser Land hereingebrochen ist." Die Bundesregierung, so setzte er fort, habe versucht, "das Rad der Geschichte zurückzudrehen". Die SPÖ wolle "soziale Solidarität", betonte Gusenbauer, der wiederholt Bravo-Rufe und Zwischen-Applaus für seine Ausführungen erntete. Vor allem die Kritik an der Regierung fand sichtlich Zustimmung - sowohl beim Publikum als auch auf der mit prominenten Sozialdemokraten besetzten Tribüne vor dem Rathaus. Erschienen waren neben Gusenbauer und Michael Häupl unter anderem auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch, AK-Präsident Herbert Tumpel, SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha und Vertreter des - erst vor kurzem angelobten - Wiener Stadtsenates. Der neue Klubobmann Josef Cap war ebenfalls auf den Rathausplatz marschiert. "Österreich braucht Regierung, die zum Unerträglichen nicht schweigt" Alfred Gusenbauer zeigte sich überzeugt, dass die Bundesregierung wieder zu einem System kommen wolle, in dem die "eigene Gesundheit von der Geldtasche abhängt" und Bildung wieder ein Privileg der Wohlhabenden ist. Gusenbauer: "Da wird eine Auslese getroffen nach sozialen Kriterien. Unser System baut auf die Fähigkeiten der gesamten Bevölkerung." Es habe sich nun auch gezeigt, dass die FPÖ der "Politik des großen Geldes" und nicht der kleinen Leute verpflichtet sei. Weiters übte Gusenbauer Kritik an der geplanten ORF-Reform und am "parteiischen Auftreten" von Justizminister Dieter Böhmdorfer (F): "Und wenn nun auch Journalisten unter Strafe gestellt werden sollen, die dazu beitragen, dass die ganzen Skandale des Herrn Böhmdorfers und der FPÖ aufgedeckt werden, dann sagen wir, dass der 1. Mai heuer auch ein Tag der Freiheit und der Meinungsvielfalt in Österreich ist!" "Überall ist ein Ruck durch die Bevölkerung gegangen" Im Kanzleramt am Ballhausplatz wird laut Gusenbauer geschwiegen - etwa zur "Niedertracht der FPÖ in der Wiener Wahlauseinandersetzung". Der SPÖ-Chef fügte hinzu: "Ich sage, Österreich braucht eine Bundesregierung, die zum Unerträglichen nicht schweigt." Und Österreich brauche eine Regierung, die in Europa nicht nur geduldet, sondern anerkannt und geachtet werde. Doch es gebe eine Chance, "dass die schwarz-blaue Bundesregierung" nur "eine Episode" bleibe, betonte Gusenbauer. Er habe nun festgestellt, dass nach der Wiener Wahl auch viele Menschen in den Bundesländern aufgerüttelt worden seien. Gusenbauer versicherte: "Überall ist ein Ruck durch die Bevölkerung gegangen." (APA)