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Apokalypse abgesagt: Der New Yorker Slam-Poetry-Künstler Saul Williams
Die Apokalypse muss bis auf weiteres abgesagt werden: Der New Yorker
Slam-Poetry-Künstler Saul Williams und sein wort- gewaltiges Debüt "Amethyst Rock
Star"
Das mit dem Weltuntergang können wir uns erst einmal abschminken. Zwar rechnet
der New Yorker Poet Saul Williams fest damit, dass unsere Zivilisation, bevor sie sich
endlich in durchaus näher definierter Zukunft als solche bezeichnen darf, zuvor kinntief
ins Chaos schlittern wird. Neben den als bekannt vorausgesetzten Ursachen wie
religiösem Fanatismus, Rassismus und der vor allem im Ausland Menschen und ihre
Rechte verachtenden, als Außenpolitik getarnten US-Weltwirtschaftseroberung vor
allem auch verantwortlich dafür:
1. Präsident George Dabbeljuh Bush: "Es ist lustig, denn es ist offensichtlich, dass er
ein Arsch ist." 2. Puff Daddy: "Bush wurde gewählt, weil Puff Daddy das bestverkaufte
Album des Jahres hat. Wenn Puff Daddy nicht so erfolgreich wäre, wäre Bush nicht im
Amt." 3. Die Krise und der drohende Ausverkauf des HipHop: "Niemand nutzt das
Potenzial des Mediums. Wenn du dir anschaust, wie mächtig HipHop ist, wie viele
Leute dir zuhören, warum solltest du Zeit damit verschwenden, Sachen zu sagen wie:
Ich bin die coolste Person auf Erden? Wenn du die Aufmerksamkeit aller hast, ist das
alles, was du ihnen zu sagen hast?" 4. Die nicht nur bezüglich Punkt 3 weitgehende
Missachtung des Wortes als gefährliche Waffe: "Wenn du nicht aufpasst, betreten
Worte deinen Körper, und du glaubst diesen Scheiß. Wenn wir behaupten, etwas sei
wesentlich, wird es erst wesentlich."
Da aber die von Saul Williams durchaus auch chaotisch, aber beherzt interpretierte
Chaostheorie besagt, dass aus der Unordnung naturgemäß wieder Ordnung
entstehen muss, geht es ihm auf seinem ersten musikalischen Frontalangriff
vordringlich um eines: Man muss präventiv im Hier und Heute zumindest
Vorbereitungen dafür treffen, dass, wenn uns demnächst also schon die Scheiße bis
zum Hals stehen werden wird, wir zumindest dieselbe Begriffsdefinition dafür
verwenden. Wahrscheinlich ist es nicht ganz unwesentlich zu erwähnen, dass Saul
Williams einen in Brooklyn wirkenden Prediger zum Vater hat. Am Anfang war das
Wort. Und natürlich der
Sound. Woraus besteht der Mensch? Wort. Blut. Beats.
Belauschen wir den aus der Slam-Poetry-Schule hervorgegangenen Mann, der auch
im Film erfolgreich ist (sein Drehbuch für den autobiografischen Spielfilm Slam erhielt
1998 die Goldene Palme von Cannes, gerade arbeitet er mit Kevin Spacey an King of
L. A.), bei einem Interview mit der deutschen Zeitschrift Spex über die Technik von
Williams, Worte etymologisch abzuleiten: "Nimm zum Beispiel das Wort ,Person'. Du
kannst es von (lateinisch) ,per sonare' herleiten. Demnach sind wir ,beings of sound'.
Wenn wir uns also in erster Linie als solche bezeichnen, handeln wir nach ,sound
vibrations'. Als Personen müssen wir also alle Aufmerksamkeit auf das richten, was
wir in Worte fassen."
Unter dem atemberaubenden, wie eine Flutwelle über den Hörer brechenden
Predigersermon von Williams hat der zuletzt mit Johnny Cash in Erscheinung
getretene Produzent Rick Rubin auf Amethyst Rock Star nervöse Breakbeats,
bedrohliche Streichorchester-Samples und wilde Stromgitarren gelegt, die die
Atmosphäre zusätzlich aufladen. Eigentlich ist dieses Manifest in jeder Hinsicht zu viel.
Eigentlich ist das gut so.
(DER STANDARD/RONDO, Print-Ausgabe, 27. 4.
2001)
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