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An der wohl entscheidenden Sitzung, bei der man sie zur neuen Herrin des Grünen Hügels erkor, nahm Eva Wagner-Pasquier nicht teil. Auch ihr Vater Wolfgang Wagner war nicht zugegen. Sie weilte in den USA, er in Japan. Anwälte übernahmen oder übermittelten die beschlossenen Botschaften; Tochter und Vater sprechen seit langem nichts mehr miteinander. Ihr Verhältnis wird als "abgrundtiefe Feindschaft" beschrieben. All dies ist Folge einer jener zahllosen "Familienzwiste", die - so man sie zu einer Oper machte - auch Urvater Wagners Tetralogie, dem Ring des Nibelungen, Konkurrenz machen könnten. Eine unendliche Geschichte, der Vater und Tochter Kapitel für Kapitel hinzufügen. Allein, es gab doch auch glückliche Tage der Eintracht. In den späten 60er-Jahren, da wurde Eva, Wolfgangs Kind aus erster Ehe, Papas ganze Unterstützung zuteil; sie - gelernte Kindergärtnerin - war am Grünen Hügel seine Assistentin. "Mädchen für alles", sagten manche. Also auch Mädchen für neue, richtige und wichtige Stimmen. Eva gilt als Entdeckerin von Tenor Peter Hofmann. Zudem war sie mitverantwortlich für die Rollenbesetzung und die Probenpläne für den "Jahrhundert-Ring" von Patrice Chéreau im Jahr 1976. Ja, sie muss eine Art "Kronprinzessin" gewesen sein, doch die Krone hat sie weggeworfen. 1976 ließ sich Wagner von seiner Frau Ellen scheiden und heiratete seine Mitarbeiterin Gudrun Mack; Eva Wagner hielt zu ihrer Mutter, und so kam es zum Bruch mit dem "Alten". Auch außerhalb Bayreuths wirkte der Name Wagner in Verbindung mit Kompetenz: Nach ihrem Weggang betreute Eva bei Leo Kirchs Produktionsfirma Unitel Opern- und Konzertfilme, wurde dann Direktorin des Royal Opera House Covent Garden in London und landete 1987 als Programmdirektorin in der Pariser Bastille-Oper. Weitere Betätigungsfelder: Teatro Real in Madrid und die New Yorker Met. Zudem ist sie künstlerische Beraterin des Festivals von Aix-en-Provence. Beschrieben wird die 55-Jährige, die mit ihrem Mann Yves Pasquier und Sohn Anthony in Paris lebt, als durchaus souverän. Als eisenharte Theater-Lady. In jedem Fall ist sie aber geduldig, ausdauernd und medienscheu - wohl auch aus taktischen Gründen. Es blieb ihr nach ihrer nun positiv erledigten Bayreuth-Bewerbung auch nichts anderes übrig. Schließlich ist ihr Vater im Besitz eines Vertrags auf Lebenszeit, und Wolfgang ist vertragstreu . . . Wotan wird weichen, nur wann? Die nächsten Wochen werden es zeigen. Was nach ihm kommt, ist schwer zu sagen. Ihr Konzept hat Eva Wagner der Öffentlichkeit bisher weitestgehend vorenthalten. Das, was bisher durchsickerte, verspricht keine Revolution. Aber wie gesagt, Eva weiß um die Vorzüge von Dezenz als Taktik. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 30.3.2001)