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Wöllersdorf - "Wissen Sie, wo das Vorstellungsgespräch ist?" Die elegant gekleidete Dame zieht etwas nervös an ihrer Zigarette und blickt dabei ein wenig ungläubig auf die riesigen, kahlen Erdhügel, die permanent von schweren Baufahrzeugen umkreist werden. Ohne auf Antwort zu warten wagt die Frau eine Prognose: "Das muss da hinten sein, wo ,Saloon' steht." Sie hat Recht. Dort, im Obergeschoß des riesigen, ebenfalls ziemlich unfertigen Holzhauses, warten drei grimmig dreinblickende Männer in einem kleinen Büro auf potenzielles Personal. Geht es nach Markus Gerauer, dem Boss der Grimmigen, so werden sich dort bald bis zu 1400 konsumierende Gäste tummeln. Gerauer, Manager des Freizeitparks "No Name City", Österreichs erster Westernstadt, schreitet selbstbewusst durch eine künstlich angelegte Ödnis, die in wenigen Tagen - genauer: am 31. März - eröffnet werden und in vollem Glanz erstrahlen soll. Bange Fragen kontert er siegessicher: "Aber ja, bis dahin sind wir längst fertig." Dem Zufall wurde rein gar nichts überlassen. "Wir sind keine Westernfreaks", erklärt Gerauer trocken, "Untersuchungen haben ergeben, dass Nachfrage besteht. Darum haben wir es gebaut." Punkt. Künstliche Wildnis 30 Kilometer südlich von Wien und nur unweit der Autobahnabfahrt liegt die künstliche Wildnis. Im 50-Kilometer-Radius befinden sich noch Wiener Neustadt und St. Pölten. Dass die Liebe zum Detail deswegen nicht auf der Strecke bleiben musste, versucht der Manager beim Rundgang zu beweisen. Auf 15 Hektar soll demnächst eine "Zeitreise" möglich sein, die den Besucher Wildwest hautnah erleben lässt. Von Bisons über Indianer in Zelten, Kanufahren am See und Goldwaschen bis hin zu Pokerrunden im Saloon mit dazugehöriger Schlägerei und Bank- oder Postkutschenüberfällen wird so ziemlich alles geboten, was der nordamerikanische Westen um 1870 zu bieten hatte. Für die nötige Action sorgt ein Stunt-Team. "Vier Paare haben sich sogar schon für eine Westernhochzeit angemeldet", verkündet Gerauer stolz. Dabei muss die Kirche erst geweiht werden. 100 Millionen Schilling wurden bisher investiert - Förderungen von Gemeinde, Land, Bund und EU zeigen, dass die Freunde des Wilden Westens nahezu überall zu finden sind. Markus Gerauer rechnet mit jährlich 200.000 Besuchern. Anfangs. Später dürfen es gerne mehr werden. Im Erfolgsfall ist eine Ausdehnung des Westernparks um weitere 15 Hektar möglich. "Wir wollen niemanden neppen", erklärt Gerauer die günstigen Eintrittspreise - Tageskarten für Erwachsene um 140 und für Kinder um 80 Schilling sollen dafür sorgen, "dass die Familien auch am Gelände noch Geld ausgeben wollen", so der Freizeitparkmanager. Am Eröffnungstag wird Winnetou-Urgestein Pierre Brice ebenso anwesend sein wie die Missen aus Kroatien und Österreich. Vielleicht auch die elegant gekleidete Dame. Diesmal aber ohne Zigarette, dafür mit einem Tablett in der Hand, im Westernhemd, in engen Jeans und mit Cowboystiefeln. (DerStandard, Print-Ausgabe, 20.3.2001)