Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Archiv
Der Klimawandel wird Österreich, das von Naturressourcen abhängig ist, besonders treffen. Der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber fordert deshalb im Gespräch mit Alexandra Föderl-Schmid eine Anpassungsstrategie. STANDARD: Das abgelaufene Jahr war das wärmste im vergangenen Jahrhundert. Müssen wir uns auf mildere Winter einstellen? Schellnhuber: Ja, es ist ein globaler Erwärmungstrend zu beobachten. Wir befinden uns in einer Klimaveränderung, die noch lange nicht zu Ende ist. Wenn wir nicht die umweltpolitische Notbremse ziehen, wird sich das sogar noch verstärken. STANDARD: Was bedeutet dies für Skigebiete? Schellnhuber: Die Wahrscheinlichkeit, weiße Weihnacht im Flachland zu haben, schwindet. Es gibt immer mehr Probleme für Skigebiete in den Alpen und den Pyrenäen. Bis 2050 wird es größte Schwierigkeiten mit dem Skitourismus in mittleren Lagen geben. STANDARD: Was sind mittlere Lagen? Schellnhuber: Ab 1000 Meter. Beim Langlauftourismus sehe ich in den nächsten zwei, drei Dekaden damit auch große Probleme. Auch oberhalb von 2000 Metern sind die Möglichkeiten begrenzt. Wenn man nicht mit der ganzen Infrastruktur in höhere Lagen gehen will, dann wird man sich auf verminderte Einnahmen im Skitourismus einstellen müssen. Außerdem gibt es eine Rückwanderung der Gletscher. Ab Mitte dieses Jahrhunderts wird es mit Skitourismus schwierig werden. Das wird Österreich besonders treffen. STANDARD: Kann man ganz allgemein sagen: In zehn Jahren wird es wärmer, und die Naturkatastophen nehmen zu? Schellnhuber: Ganz vereinfacht gesprochen: Es wird wärmer, und die Tendenz zu Bocksprüngen beim Wetter nimmt zu. Durch die Erwärmung verdunstet mehr Wasser. Dadurch ist mehr Dunst in der Atmosphäre, was sich dann bei den Niederschlägen bemerkbar macht. Es wird auch mehr Gewitter geben, und auch die Stürme können an Wucht zunehmen. Eine Studie unseres Instituts hat gezeigt, dass die atlantischen Tiefdruckgebiete, die das Wetter in Mitteleuropa bestimmen, an Länge sprunghaft zugenommen haben. Da kann es dazu kommen, dass die Starkschneefallereignisse und damit die Lawinen, wie letztes Jahr in Galtür, zunehmen. STANDARD: Wie kann sich der Mensch anpassen? Schellnhuber: Die Menschen haben in der Vergangenheit in den Alpen genau geschaut, wo und wie sie bauen. Durch die Umstellung des Wetters entstehen aber Fehlanpassungen. Man müsste Bergdörfer jetzt häufig ganz anders anordnen. STANDARD: Wie kann man sich anpassen, wenn man nicht genau weiß, wie sich alles entwickelt? Schellnhuber: Man kann entweder die brutale Methode machen und Schutzwälle um ein Dorf ziehen oder man versucht, die Häuser sicherer zu bauen. Dickere Wände, in den Hang geschmiegt. Oder man zieht sich aus gefährdeten Arealen zurück. STANDARD: Könnte dies bedeuten, dass besiedelte Zonen in den Alpen ganz aufgegeben werden müssen? Schellnhuber: Eventuell ja. Um das zu verhindern, müsste man auf regionaler Basis Wissenschafter, Ingenieure und Landschaftsplaner bitten, Berechnungen anzustellen, sich mit der Bevölkerung Gedanken zu machen und Kosten-Nutzen-Rechnungen anzustellen. Ich würde den Bezirkshauptleuten dringend empfehlen, solche Studien erstellen zu lassen. Denn die Auswirkungen treffen die Donauniederungen, wo andere Wasserstände erwartet werden, genauso wie Gebirgsregionen. Das ist eine Jahrhundertaufgabe. Der Aufbau von Simulatoren dauert einige Jahre, damit müsste jetzt begonnen werden. STANDARD: In welchem Bereich wären solche Studien in Österreich am nötigsten? Schellnhuber: Bei einem Land, das so stark von der Wasserkraft abhängt wie Österreich, wird eine Klimaänderung so relevant sein, dass man früh genug mit Anpassungen beginnen muss. Ich habe vor einigen Jahren dem damaligen Umweltminister Martin Bartenstein vorgeschlagen, eine Studie zu machen. Er war interessiert, aber ich habe nichts mehr gehört. STANDARD: Welche Folgen hat der Klimawandel für die Landwirtschaft in Österreich? Schellnhuber: Allein die Temperaturveränderung von ein bis drei Grad führt dazu, dass beim Weinanbau beste Lagen dies nicht mehr sind. Man wird auf andere Gebiete ausweichen, Sorten ändern müssen, von Weiß- auf Rotwein umsteigen. Und sich einstellen, dass in bisher geeigneten Gegenden kein Wein mehr gedeiht. Das Burgenland könnte Probleme bekommen. Da der Weinbau eine Sache von Jahrzehnten ist, müsste man jetzt nachdenken. Auch in der Forstwirtschaft muss man sich auf Änderungen einstellen. Gerade Österreich, das so von seinen natürlichen Ressourcen abhängig ist, bräuchte eine nationale Anpassungsstrategie. Ich wundere mich, dass man bisher nichts unternommen hat. Die Temperaturänderung führt dazu, dass beim Weinanbau beste Lagen dies nicht mehr sind. Man wird auf andere Gebiete ausweichen oder die Sorten ändern müssen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 1. 2001).